
Voll ver-rückt: Vom Leben mit Dize. Bewegender Besuch eines von Schizophrenie Betroffenen in der FH/12/G2
Am 30.04.2025 bekamen, wir die FH/12/G2 im Rahmen des Psychiatrieunterrichtes Besuch von Christopher Korte. Christopher ist mittlerweile 36 Jahre alt, er ist verheiratet und Vater von vier Kindern. Schon im jungen Alter wurden bei ihm gleich mehrere psychiatrische Diagnosen gestellt, die sein Leben auf den Kopf gestellt haben. Bereitwillig berichtet er darüber, um andere für das Leben mit psychiatrischen Störungen zu sensibilisieren und auch um Betroffenen Mut zu machen.
Seine Diagnosen waren mehrere Suchterkrankungen, Depressionen und vor allem Schizophrenie. In einer ruhigen und angenehmen Atmosphäre berichtete Christopher uns von seiner sehr besonderen Lebensgeschichte. So waren wir ziemlich erschrocken, als er davon sprach, schon mit sechs Jahren die erste Zigarette geraucht zu haben und wie schnell härtere Drogen wie Heroin und Co. folgten.
In den vorausgegangenen Unterrichtsstunden hatten wir uns bereits mit vielen verschieden psychischen Krankheiten beschäftigt, unter anderem mit der Schizophrenie, die uns besonders „faszinierte“. So wussten wir, dass es eine psychische Störung ist, bei der unter anderem die Gedanken und Wahrnehmungen der Betroffenen verändert sind. Wichtig dabei zu wissen ist, dass die sogenannten Psychosen langsam und schleichend hervorkommen und bis zu ihrem Höhepunkt andauern. Die Auslöser solcher Psychosen sind unterschiedlich, doch häufig, wie bei Christopher, sind es Drogen.
Christopher hat es auf für uns sehr beeindruckende Weise geschafft, sich „aus dem Loch“ herauszukämpfen. Unser Gast berichtete uns ganz offen über sein Leben mit der Sucht und den Umgang mit seiner paranoiden Schizophrenie. Dabei erwähnte er, dass eine psychische Störung meist nicht alleine auftritt. Neben den schon genannten Diagnosen gehörten bei ihm noch ADHS und Borderline dazu. Wie er berichtete, hatte er immer ältere Freunde und nie welche, die seiner Altersklasse entsprachen, wodurch er nicht die Sachen machte, die zum Beispiel ein 11-Jähriger eigentlich macht. Im Gegenteil, er konsumierte im Alter von 11 Jahren das erste Mal Cannabis, bevor Heroin und andere Drogen folgten. Nachdem er auf der Straße gelebt hatte, folgte eine Haftzeit von sechs Jahren.
Zu seiner Schizophrenie erfuhren wir, dass diese sich durch akustische negative Stimmen bemerkbar machte und durch optische Halluzinationen. In diesen sah er ein Wesen, welches einem Zyklob und Zombie ähnelte – und gab diesem einen Namen, nämlich Ditze. Ditze lebte in Christophers psychotischer Wahrnehmung in einem 500m2-Keller, in dem Sterbebetten standen, warf mit Heroinnadeln und setzte Christopher enorm unter Stress. Er machte ihm Druck, wenn er nicht konsumierte. Für Christopher war all dies “real”. Er fühlte die Nadelstiche in seiner Haut und musst auf Medikamente verzichten, da Ditze ihm einredete, dass Medikamente etwas Böses sind. In den psychosefreien Intervallen wusste Christopher, dass diese Wahrnehmungen nicht echt sind, doch in den anderen Intervallen, in denen er mitten in der Psychose war, nahm er all das oben Beschriebene als “real” wahr.
Eine Ausbildung zum Heilerziehungshelfer, die er begonnen hatte, brach er nach 7 Monaten ab, auch weil zusätzlich der Alkohol, der schon in seinem Elternhaus eine große Rolle spielte, sein täglicher Begleiter war. Es folgte eine jahrelange Arbeitslosigkeit und das zwischenzeitlich selbstständige Absetzen von Medikamenten führte immer wieder zu Rückfällen. Doch irgendwann, al seine weitere Haftstrafe drohte, kam bei ihm der “Klick”-Moment und die Wende brachte dann die erstmalige Krankheitseinsicht, ohne die es – so Christopher – bei niemandem mit einer solchen Erkrankung wirklich Heilungschancen gibt. Dieser Moment führte ihn zur entscheidenden Selbsterkenntnis: “Ich bin süchtig, ich brauche Hilfe.” Auf diese Erkenntnis hin begab er sich in eine sechswöchige Entgiftung.
Zu dem Zeitpunkt war Christopher 24 Jahre alt und hatte bereits einen 2 ½-jährigen Sohn. In diesem Moment wollte er sich seine Freiheit nicht nehmen lassen und für seinen Sohn zu einem Vater werden, zu dem dieser aufschauen konnte. Dies motivierte ihn dazu, sich der schmerzhaften Entgiftung zu stellen. Bei stationärer Erstaufnahme hatte er seinerzeit, wie er berichtete, einen Alkoholgehalt von 4 Promille im Blut, was eigentlich schon tödlich ist.
Die Entgiftung beschreibt Christopher wie eine Grippe, “nur 100 mal schlimmer”. Bei seinem Heroinentzug wollte er sich seine Arme und Beine brechen, er fühlte sich, als wenn er jeden Moment sterben würde.
Von einer geringen Medikamentendosis, die andere Patienten den ganzen Tag lahmlegten, bekam Christopher die 1000-fache Menge. Er hat all das aber in Kauf genommen, weil er leben und nicht einfach nur “vor sich hinvegetieren” wollte. Sein “bester Freund” war zu dieser Zeit das Badezimmer, wie er sagte, da er sich von den Nebenwirkungen der Medikamente dauernd übergeben musste.
Wir alle hörten bei der Schilderung des so beeindrucken Lebensweges so gebannt zu, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können.
Besonders bewusst wurde uns dan nauch, wie wichtig psychiatrische Begleitung und auch andere Menschen allgemein auf diesem Weg im Umgang mit einer solchen Erkrankung sind. Menschen, die was in einem sehen, was man selber nicht mehr in der Lage ist zu erkennen und die so stärken. „Ich war ganz oben und auch ganz unten. Mittlerweile befinde ich mich in einer guten Mitte“, sagt er selber über sich. Doch ohne die genannte Unterstützung hätte er schon früher längst aufgegeben, wie er sagte.
Mittlerweile ist Christopher seit fünf Jahren clean und hat seitdem keine Rückfälle mehr gehabt. Seine Medikamente hat er abgesetzt. Zwar hat er zur Sicherheit immer etwas zuhause, doch greift er so lange wie möglich nicht darauf zu.
Und was uns besonders beeindruckte:
Christopher ist einer von 2% der Menschen, die den Heroinentzug überhaupt schaffen, wie er berichtete. Die Zahl “2 Prozent” hat er sich deshalb auch auf sein Bein tätowiert um sich selber zu zeigen, was er geschafft hat.
Und: Seit Oktober 2024 arbeitet er nach erfolgreicher Ausbildung zum Genesungsbegleiter im psychiatrischen Krankenhaus in Neuss und ist dort nun selber in der Betreuung suchtkranker Menschen tätig, für die er als Betroffener ein glaubwürdiger Ansprechpartner ist. Dadurch, dass Christopher schon so viel in seinem Leben erlebt hat, ist er für seine Klienten ein Vorbild und kann sich genau in die Menschen und deren Gefühle hineinversetzen. Dadurch ist er den Patienten gegenüber sehr empathisch und einfühlsam.Christopher hat noch ganz viele Projekte in seinem Kopf und möchte sich gerne bald auch selbstständig machen.
Wir fanden es sehr bemerkenswert, wie Christopher uns an seiner Lebensgeschichte hat Anteil nehmen lassen. Er ist auf all unsere Fragen eingegangen und hat ganz offen mit uns kommuniziert. Wir sind sehr dankbar, dass wir so eine Erfahrung machen und ihn kennenlernen durften!
Text: Merle Hälker & Tale Schnell (FH12G2)
Fotos: Andreas Mäteling