Vom Leben mit Schizophrenie: Einblicke eines Betroffenen und einer Fachkraft im BeWo

In unserer zweiten Blockwoche, genauer gesagt am 17.10.2023, durften wir, die Berufspraktikant/innen der Fachschule für Heilerziehungspflege, Frau Brendel-Grünewald als Referentin begrüßen. Selbst Ehemalige unserer Schule kam sie nun als Leiterin des Ambulant betreuten Wohnens für psychisch- und suchterkrankte Menschen „LebensArt“ in Begleitung von Herrn Christopher Korte zu uns. Herr Korte hat die Diagnose Paranoide Schizophrenie und erklärte sich dazu bereit, seine Lebensgeschichte mit uns zu teilen.

Zunächst zu den Ausführungen von Frau Brendel-Grünewald: Sie erklärte uns, dass das Ambulant betreute Wohnen eine Einrichtung der Eingliederungshilfe für volljährige Menschen mit einer sucht- oder psychischen Erkrankung ist, die in einer eigenen Wohnung wohnen.

Die betreuenden Fachkräfte (so auch Heilerziehungspfleger/innen, wie wir es bald sein werden) fahren dafür zu den Klient/innen nach Hause und begleiten sie bei anstehenden Aufgaben und Tätigkeiten, wie zum Beispiel bei Behördengängen, Hauswirtschaftlichen Tätigkeiten etc.

Nach der allgemeinen Einleitung in diese Organisationsform frischte Frau Brendel-Grünewald mit uns unser Wissen rund um das Krankheitsbild Schizophrenie auf und ebenso die für die Pflege und Betreuung notwendigen Aspekte. Dabei unterstrich sie auch die allgemeine Bedeutung der Arbeit mit psychisch kranken Menschen, die allein schon wegen der großen Anzahl von psychisch Kranken, nämlich ein Drittel der Bevölkerung, von enormer gesellschaftlicher Relevanz ist.

Aber um nicht immer nur über Menschen mit Schizophrenie und das Krankheitsbild zu sprechen, sondern vielmehr ums uns besser in sie einfühlen zu können, kam sie in Begleitung des Betroffenen Herrn Korte.

Er erzählte uns seine Lebensgeschichte und wie es bei ihm anfing, ambulant betreut werden zu müssen. An seinem Beispiel erfuhren wir, dass eine psychische Störung selten allein auftritt. So ist es nämlich auch bei ihm der Fall, der außerdem an ADHS, Depressionen und einer bipolaren Störung erkrankt ist— jedoch ist die paranoide Schizophrenie am meisten ausgeprägt.

Während er in einer Psychose war, hat er, so berichtete er, Dinge gesehen, gehört und gefühlt, die nicht real sind. Für ihn, waren sie jedoch durchaus real. So erzählte er uns von seinem imaginären negativen Freund, den er „Dize“ genannt hat. Wenn Herr Korte in einer Psychose war, sah er Dize meist in einer Ecke oder unter der Heizung sitzen, wie er ihn mit spitzen Gegenständen bewarf. Herr Korte spürte dies und zuckte. In seiner Vorstellung hatte Dize einen 500 Quadratmeter großen Keller, gefüllt mit Sterbebetten, die Dize gestohlen hat. „Diesen“ Dize ließ sich Herr Korte später auf seinen Oberarm tätowieren, um ihn in sein Leben zu integrieren und als Hilfe zur Bewältigung. Für uns klang das beim Zuhören alles unvorstellbar, hat uns so aber an einem konkreten Beispiel sehr geholfen, uns gerade darüber besser in die Vorstellungswelt bei schizophren Erkrankten einfinden zu können.

Den Anfang nahm bei ihm alles, wie er uns erzählte, mit exzessivem Drogen- und Alkoholkonsum. Schon mit sechs Jahren geriet er das erste Mal an Zigaretten und mit einem Alter von gerade einmal elf Jahren konsumierte er schon Cannabis und andere chemische Drogen. Im Alter von 14 Jahren fing er an, Heroin zu konsumieren. Er verlor dann seinen besten Freund, der ebenfalls Heroin konsumierte, und mit 18 trank er dazu das erste Mal Alkohol.

Er ist verheiratet und mittlerweile Vater von vier Kindern. Seine Frau unterstützte ihn zu der Zeit sehr und zum Zeitpunkt der Geburt des ersten Kindes begann er seine erste Therapie.

Er ging in eine Klinik für einen Entzug. Dort lernte er einen guten Freund kennen, der ihm, begleitend zu den Therapeuten, bestmöglich unterstützt hat. In der Zeit der stationären Behandlung begann er mit der Einnahme sehr starker Tabletten. Dabei handelte es sich um so genannte Antipsychotika, die die Aktivität bestimmter Nervenzellen im Gehirn hemmen. Bei der Erkrankung handelt es sich nämlich um eine Stoffwechselstörung im Gehirn, die, ähnlich wie Diabetes, ab einem gewissen Grad medikamentös behandelt werden muss. Diese Medikamente wirken beruhigend und mildern Halluzinationen und Wahnvorstellungen.

Ein „normaler“ Mensch hätte laut Herrn Korte nach der Einnahme nur noch schlafen müssen. Aber ohne Medikamente ginge es halt nicht.

Christopher Korte hätte niemals gedacht, dass er aus diesem Leben jemals wieder hinausfinden könnten. Dank seiner intensiven Mitwirkung in der Therapie sowie dank der umfassenden Unterstützung aus der Familie und von professionellen Fachkräften des ambulant betreuten Wohnens hat er tatsächlich geschafft. Nun ist er bereit seit dem Jahr 2019 medikamentenfrei und zurzeit mitten in einer Schulung zum Genesungsberater, um ähnlich Betroffenen Tipps für Ihr Leben und ihre persönliche Zukunft zu geben.

Für diesen sehr bewegenden und lehrreichen Unterricht bedanken wir uns ganz herzlich bei Frau Brendel-Grünewald und Herrn Korte, dem wir am Ende alles Gute für seinen weiteren und so beeindruckenden Lebensweg wünschten. Wir alle waren uns sicher, dass wir Menschen mit Schizophrenien künftig viel verständnisvoller und fachkompetenter begegnen und sie so in ihren Bedürfnissen möglichst optimal heilerziehungspflegerisch betreuen können.

Artikel: Frederik Frohn, Celina Kaspar, Amelie Linders (HEP/B)
Fotos: Andreas Mäteling


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