Pünktchen und Anton: Arm trifft Reich

Sie ist cool, sie ist „taff“, sie hat alle Fäden in der Hand. Direkt zu Anfang, als Mira Schmoor alias „Pünktchen“ auf dem City-Roller couragiert zur Bühne fährt, ahnt wohl jeder in weiser Voraussicht, dass die Geschichte ganz im Sinne des nimmermüden Mädels mit den roten Socken ausgehen wird. Ohne Frage: Die angehende Fachabiturientin war eine gute Besetzung für die weibliche Hauptrolle von Erich Kästners Kinderroman „Pünktchen und Anton“, den die Theatergruppe unserer Fachoberschule für Sozial- und Gesundheitswesen im März 2008 gleich sechs Mal vor rund 1000 Zuschauern in der Schulaula aufführte.

Die Essenz der Geschichte ist schnell erzählt: Sie handelt von arm und reich, von Sorge füreinander und Vernachlässigung des Nächsten. Sie spielt im bitterarmen ebenso wie im bourgeoisen Milieu. Sie hat also auch heute noch ein gewisses Maß an Aktualität.

„Pünktchen“ ist verwöhnt und stammt aus betuchtem Hause. Ihre Eltern (Stephanie Schroers und Katrin Hendricks) haben wenig Zeit für sie, so wenig Zeit, dass sie nicht merken, dass sich ihre Tochter nachts auf den Straßen herumdrückt, um Streichhölzer für eben jenen Anton (Julia Dicks) zu verkaufen, der sich mit viel Liebe und Zuwendung um seine kranke Mutter (Lisa Kretschmar) kümmert. Anton ist bitterarm, und so mattgrau wie die Kleidung seiner Mutter, ist auch sein Leben: geprägt vom kargen Heim, den tristen Wänden und den ebenso knappen wie faden Mahlzeiten.

Die Gegensätze in Erich Kästners Kinderroman konnten also kaum größer sein, und ähnlich groß war die Spannung, die die 22 Schüler der Fachoberschule bei der Inszenierung aufbauten, an der sie unter der Regie von Karla Hilsemer seit August 2007 arbeiteten. Es war kein altbackenes Kindermärchen, das die jungen Schauspieler da aufführten. Nein, moderne Elemente flossen in ihre Interpretation mit ein: Requisiten aus der Welt der heutigen Jugend wie Burger und Cityroller, Filmsequenzen wie ein eingespielter Traum, Musik und Tanz mit Einbeziehung des vornehmlich jungen Publikums, das sich zur Musik auf der Aulabühne im Takt bewegen durfte.

Ein Satz von Anton stand bei alledem im Mittelpunkt: „Reiche Leute wollen mit armen doch sowieso nichts zu tun haben!“ Gilt das auch für Pünktchen und ihre Familie Pogge? Nein! Dank der Redlichkeit von Anton gibt es ein Happy-End. Der verarmte Junge sorgt dafür, dass der schmierige Lover (Jennifer Brünker) von Pünktchens Kindermädchen Frau Andacht (Katharina Bechler) als Einbrecher im Hause Pogge zur Strecke gebracht wird. Anton darf fortan mit seiner Mutter in Pünktchens Haus wohnen.

Fazit der Aufführung: Viel Applaus für die Darsteller – und die Gewissheit: Nicht Geld darf die Welt regieren, sondern eben jene Werte, die Pünktchen und Anton leben und die sie deshalb so sympathisch machen.

Text und Fotos: Ewald Hülk


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