Wasserflasche öffnen mit Tremor – ein unüberwindbares Hindernis!?

Die HEP/U erlebt körperliche Beeinträchtigungen mittels Simulationsanzug am eigenen Leib:

Im Rahmen des Pflegeunterrichts zum Thema Sturzprophylaxe hatten wir, die HEP/U, die Möglichkeit, mit dem so genannten Alterssimulationsanzug nachzuerleben, wie es ist, wenn man durch verschiedene Einschränkungen der Sinnesorgane, in der Beweglichkeit der Gelenke usw. gehandicapt ist.

Dieser „Anzug“ besteht aus mehreren Gewichten, die man an verschiedenen Körperstellen, wie z. B. im Brust- und Rückenbereich und an Hand- und Fußgelenken anlegt. Schienen an Ellbogen und Hals sind ebenfalls Bestandteile. Des Weiteren gehören verschiedene und für uns besonders interessante Brillen dazu, die unterschiedliche Augenkrankheiten (z. B. Grüner und Grauer Star, Netzhautablösung) simulieren und damit die Sicht erheblich beeinträchtigen sowie Kopfhörer und Ohrstöpsel, die eine Schwerhörigkeit nacherleben lassen. Außerdem gibt es Handschuhe, die zu einer erheblichen Einschränkung der Feinmotorik führen. All dies konnten wir am eigenen Leib ausprobieren und stellten fest, wie groß dadurch die Unsicherheit bei alltäglichen Verrichtungen ist und wie sehr man dabei im wahrsten Sinne des Wortes behindert wird. Einfachste Dinge werden dadurch erheblich erschwert.

So zum Beispiel beim Laufen über den Flur, beim Öffnen von Türen, beim Aufsuchen der Toilette, beim Lesen an Stellwänden, beim Transfer vom Rollstuhl ins Bett u. v. m. Besonders eindrucksvoll war für uns die Anwendung des Tremorsimulationshandschuhs, bei dem man mittels elektrischer Impulse einen Ruhe- und Aktionstremor nachstellen kann, wie ihn z. B. Patienten mit Morbus Parkinson oftmals haben. So – oder auch durch Taubheitsgefühle eingeschränkt – einen Stift zum Schreiben zu führen, eine Wasserflasche aufzudrehen oder aber Tabletten aus einem Dispenser zu nehmen, wird plötzlich zu einem unüberwindbaren Hindernis und führt auch zu Frust.

Für uns war es interessant und zugleich auch beängstigend, zu erleben, wie es sich auswirkt, wenn all das, was wir im Unterricht zuvor als physiologische Abläufe kennengelernt hatten, plötzlich pathologisch verändert ist. Ganz bestimmt hat es unser Verständnis für das Leben mit körperlichen Beeinträchtigungen gefördert. Dazu gehört vor allem auch, erlebt zu haben, wie es sich anfühlt, wenn man Angst hat sich zu bewegen, oder wenn man für alles Mögliche und eigentlich Alltägliche, wie zum Öffnen einer Flasche, Hilfe benötigt und andere fragen muss.

Mit Blick auf unser künftiges Arbeitsfeld, nämlich die Arbeit mit Menschen mit Beeinträchtigungen, zu denen auch körperliche Einschränkungen gehören, ergab sich am Ende die Frage, wie wir, über das verständnisvoll und empathisch sein hinaus, durch konkrete pflegerische Maßnahmen Sicherheit vermitteln und zur weitgehenden Erhaltung der lebenspraktischen Fähigkeiten beitragen können. Damit war dann auch die Leitfrage für die nachfolgenden Unterrichtstunden formuliert.

Text: Felix Feddema & Sarah Schopmans (HEP/U)
Fotos: Andreas Mäteling


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