„Kinder in Afrika – Afrikas Zukunft“

„Kinder in Afrika – Afrikas Zukunft“ lautete das Thema der 8. Diskussionsveranstaltung „Schüler diskutieren mit Experten!“ Rund 2 Monate lang hatte sich eine größere Gruppe von Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Bildungsgänge außerhalb des Unterrichts intensiv und vor allem kritisch in die Thematik eingearbeitet. So war es möglich, dass Anna Greshake aus der AH/12 und Irina Blödel aus der AH/13 eine überaus informative Podiumsdiskussion moderieren konnten, bei der die einzelnen Themenbereiche durch Passantenbefragungen, informative Folien und einen provokativen Sketch eingeleitet wurden.

Im folgenden sind zwei Zeitungsartikel zu lesen, die Christian Herrendorf (hdf) für die Rheinische Post verfasste. Es folgen Bilder und die Seite der Niederrhein-Nachtrichten vom 20. Okt. 2007, auf der Nina Meyer über die Podiumsdiskussion berichtet. Den Abschluss bildet der Radiobeitrag von Dennis Kesch für Antenne Niederrhein.

(Fotos: Ewald Hülk)

Afrikas Probleme beginnen hier

Die Unicef-Vorsitzende Heide Simonis diskutierte im Berufskolleg der Liebfrauenschule über Afrika und seine Probleme. Die ehemalige Ministerpräsidentin erklärte, weshalb ihr Rückzug aus der Politik sehr politisch ist.

VON CHRISTIAN HERRENDORF

Geldern. Heide Simonis lernt Politik noch einmal neu. In ihren Jahren als Landtags- und Bundestagsabgeordnete, als Finanzministerin und Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein nahm Simonis an, Verträge und Gesetze, Amtsträger und ihre Verwaltungen würden die Lebensverhältnisse regeln. Seit sie der Politik im Jahr 2005 den Rücken gekehrt hat und Vorsitzende des Kinderhilfswerks Unicef geworden ist, merkt die gebürtige Bonnerin, dass Normen und Würdenträger allein nicht alle Probleme lösen. Bei der Diskussion im Berufskolleg der Liebfrauenschule in Geldern sagt sie immer wieder einen Satz: „Natürlich ist das verboten, aber es hält sich leider keiner dran.”

Ohne Verzicht keine Zukunft

Mit Schülern der Oberstufe, Vertretern der globalisierungskritischen Organisation Attac sowie der Hilfsorganisationen Misereor und Ärzte ohne Grenzen diskutierte Simonis über die Probleme des schwarzen Kontinents: Aids und Armut, Kriege und Kindersoldaten, Umweltverschmutzung und Welthandel. Natürlich gebe es Konventionen und Gesetze gegen Korruption, Beschneidung und Prostitution sowie für günstige Medikamente, Schuldenerlass und sauberes Trinkwasser, erklärt Simonis, aber die Verträge alleine nützten nichts. Vielmehr begännen Afrikas Probleme schon in Deutschland. „Das ist, was ich Ihnen heute sagen will: Sie müssen in Zukunft auf etwas verzichten, um die ganze Sache am Laufen zu halten. Deshalb ist das, was wir in den Hilfsorganisationen machen und fordern, Politik.”

Ein Beispiel für die schwierige Lektion Verzichten heiße Wasser. Wenn die Europäer nicht anfingen zu sparen, treffe dies die Afrikaner doppelt und dreifach. „Wer bei Entwicklungspolitik nicht über Wasser redet, der braucht nicht von Entwicklungspolitik sprechen”, sagt Simonis. „Das wird der zentrale Kriegsgrund in Zukunft sein, dagegen ist das, was wir mit dem Öl erleben, leicht wegzustecken.” Vorstellbar erscheinen der Unicef-Vorsitzenden, dass es für Wasser ähnlich wie für CO2 Verträge geben werde, die den Verbrauch kontingentieren.

Auch beim sonstigen Konsum fordert Simonis von den Europäern ein Umdenken. Statt besonders günstige Produkte zu verlangen, sollten die Käufer mehr auf fair gehandelte Produkte setzen, weil günstige Produkte auf Kosten der Menschen in den Entwicklungsländern produziert würden.

Der Wandel in der Entwicklungspolitik setzt sich nach Simonis in Afrika fort. Statt Hilfen von oben aufzudrücken, setze man verstärkt auf Kleinstkredite, mit denen Afrikaner sich eine Existenz aufbauen. Das Problem Beschneidung von Mädchen gehe Unicef mit Hilfe von Frauenorganisationen vor Ort an. „Die Frauen nehmen Beschneidungen auf und zeigen sie den Dorfältesten. So haben sie schon in vielen Dörfern dieses grausame Ritual abgeschafft”, erklärt Simonis.

Schließlich müssten auch die afrikanischen Regierungen sich ändern, dürften die „Ferkeleien im Nachbarland” nicht länger decken und müssten Aids als Problem erkennen. „Wenn eine Gesundheitsministerin sagt, gegen HIV helfen Rote Beete und Knoblauch, dann zeigt das nur, dass Frauen nicht immer besser sind als Männer.”

(Rheinische Post vom 17. Oktober 2007)

Simonis‘ Mitstreiter

Geldern (hdf) Im Berufskolleg der Liebfrauenschule betonte Heide Simonis, dass es in der Entwicklungshilfe kein Nebeneinander der Organisationen mehr gebe, sondern vor allem ein Miteinander. Mit ihr auf dem Podium stritten Alexandra Bahnsen (Ärzte ohne Grenzen), Michael Hippler (Misereor) und Peter Schönhöffer (Attac) für eine andere Afrikapolitik.

Hippler erklärte, dass die Armut der Anfang aller Probleme sei. Armut verursache Prostitution (und damit Aids), Versklavung, Korruption sowie Kriege mit Kindersoldaten und Ressourcenausbeutung. Deshalb genieße die Armutsbekämpfung Vorrang.

Alexandra Bahnsen setzte bei der Bildung und dem Kampf gegen Aids an. Da die Menschen in Afrika zu wenig über die Krankheit wüssten, oft nicht merkten, dass sie sich infizierten und selbst wenn sie es merkten, nicht wüssten, wie sie behandelt werden könne, breite sich die Seuche weiter aus. Gerade für Kinder sei es wichtig, die Medikamente weiterzuentwickeln, um ihnen ein richtiges Leben zu eröffnen.

Schönhöffer plädierte für einen Schuldenerlass sowie einen Welthandel mit Vorzügen für Afrika, weil die Industriestaaten in diesem Punkt in einer historischen Verantwortung stünden. Ohne diese Maßnahmen werde Afrika ewig ein Bittsteller bleiben.

Die Gelderner Schüler beteiligten sich mit Fragen an der Diskussion, unter anderem einer, die Heide Simonis sichtlich gefiel, auch wenn sie sie negativ beantwortete. Sie könne sich nicht vorstellen, Entwicklungshilfeministerin zu werden. „Ich halte Heidemarie Wieczorek-Zeul für eine sehr, sehr gute Ministerin, die knallhart für die Sache streitet. Und ich habe der Politik entsagt.”

(Rheinische Post vom 17. Oktober 2007)

Afrika-NN
Radiobeitrag von Antenne Niederrhein


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