A-B-C-D-E-Schema? Therapie von Menschen mit Angststörungen

Therapie von Menschen mit Angststörungen: Einblicke in die therapeutische Arbeit des Psychologen und Psychotherapeuten Herrn Stelzer

Wir, die Studierenden der Klasse HEP U, hatten am 21.06.2016 die Möglichkeit, im Rahmen des Psychiatrieunterrichtes die LVR-Tagesklinik in Geldern zu besichtigen und Informationen aus erster Hand zur Therapie von Menschen mit Angst- und Zwangsstörungen zu erhalten und darüber hinaus das Konzept und die Räumlichkeiten einer Tagesklinik kennenzulernen.

Nach einem freundlichen Empfang durch den Diplom-Psychologen und Psychotherapeuten Herrn Stelzer wurden wir zunächst im lichtdurchfluteten und mit vielen Pflanzen dekorierten Atrium der Klinik begrüßt und zu einem Rundgang durch die vielen verschiedenen Räume eingeladen. Neben den Büros und Aufenthaltsräumen gehörten dazu vor allem Räume für Arzt- und Psychologengespräche sowie für die medizinische Vorsorge. Besonders im Gedächtnis geblieben sind große Stuhlkreise in den Gruppenräumen mit dem Zweck, in angenehmer und gesprächsförderlicher Atmosphäre Gruppentherapien durchführen zu können, und die vielfältigen und mit vielen kreativen Materialien ausgestatteten Therapieräume der Ergo- und Kreativtherapien, insbesondere der Kunsttherapie.

Nach dem Rundgang gab uns Herr Stelzer einen exemplarischen Ablauf in eine mögliche Gruppensitzung. Hier teilte er uns mit, dass oft zu Beginn erfragt wird, was bei den Einzelnen anliegt und dann abgestimmt wird, welches aktuelle „Problem“ besonders thematisiert werden soll. Von besonderer Bedeutung in den Stunden, die sich konkret mit den Ängsten der Beteiligten beschäftigen, ist das so genannte A – B – C – (D – E) – Schema nach Albert Ellis, das wir bereits aus dem Unterricht kannten und was nun von Herrn Stelzer aus der praktischen Umsetzung erläutert wurde.

1. A= Activating event (= aktivierendes Ereignis, interner/externer Reiz)
2. B= Belief (= Überzeugung, hier irrationales Denken,)
3. C= Consequence (= Reaktion, übermäßige Affekte / dysfunktionales Verhalten, hier Angst)
4. D= Disputation (= Infragestellung der irrationalen Überzeugung)
5. E= Effect (= kognitive Umstrukturierung)

ZIEL der Therapie mit den Worten von Herrn Stelzer: Sich des auslösenden Ereignisses bewusst werden -> das irrationale Denken offen legen -> Lösungssuche mit allen Beteiligten -> aus negativen Gedanken positive Gedanken machen

Im Mittelpunkt der kognitiven (Verhaltens-)Therapien steht also das Umstrukturieren bzw. „Umlernen“ von Ängsten. Ebenso erfuhren wir, dass positive Gedanken wichtig sind, die in der Therapie erlernt werden sollen. Weiter soll ein Patient lernen, kritische und bisher angstauslösende Situationen auszuhalten (Konfrontation), z. B. das freie Sprechen vor Gruppen, um nur eines der vielen Beispiele aus der Arbeit von Herrn Stelzer zu nennen.

Das alles liest sich hier natürlich einfacher, als es in Wirklichkeit ist. Damit verbunden ist ein längerer Weg der Therapie. Um die gemeinsam erarbeiteten Lösungen zu verinnerlichen, fertigt jeder Patient eine Mappe an, um diese Lösungen bei einem eventuell auftretenden „Rückfall“ in alte, von Angst geprägte Denkmuster nachlesen zu können. Darüber hinaus ist die eigene Mappe eine Stütze und ein Motivator.

Anhand eines Schaubildes, das er an eine Tafel zeichnete (siehe Foto), erläuterte Herr Stelzer noch mal die Wechselwirkung und Problematik einer Angststörung.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, eine solche Angststörung zu therapieren. Dazu gehören z. B. die oben genannte kognitive Verhaltenstherapie und Konfrontationsübungen, aber auch (begleitende) Entspannungsübungen und – vor allem zu Beginn der Therapie – oftmals anxiolytische Medikamente. Zu den Entspannungsübungen, die in dieser Klinik eingeübt und angewendet werden, zählen die progressive Muskelentspannung nach Jacobson, Autogenes Training und Atemübungen.

Laut Herrn Stelzer sind die häufigsten Angststörungen, die in der Tagesklinik behandelt werden, die so genannten sozialen Ängste und Panikstörungen. Dabei wies er darauf hin, dass die meisten Angststörungen mit weiteren psychischen Störungen gekoppelt auftreten, so z. B. mit Depressionen.

Ebenso zeigte uns Herr Stelzer im Aufenthaltsraum noch den Wochenplan für die Patienten, die von montags bis freitags jeweils von 8.00 – 16.00 Uhr in der Klinik sind. Nach einem gemeinsamen Frühstück starten die Therapien, wie z.B. Musik-, Ergo- oder Gruppentherapien. Neben Einzeltherapien, Gruppentherapien und dem gemeinsamen Essen werden Angehörigengespräche angeboten und geführt. Gerade das letztgenannte Angebot soll dazu beitragen, die Wiedereingliederung in den Alltag besser zu gestalten und den Umgang der Angehörigen mit den Erkrankten leichter zu machen. Neben der Reintegration in lebenspraktische Fähigkeiten und das soziale Umfeld wurden weitere Therapieziele genannt. Hierzu zählen die Stärkung des Selbstwertgefühls, die Besserung der Lebensqualität und die Förderung der eigenen Krankheitsverarbeitung und Krankheitsbewältigung.

Auf die persönliche Belastung als Therapeut angesprochen, ließ uns Herr Stelzer wissen, dass die vielen Schicksale der Betroffenen einen schon berühren. Um sich selbst zu schützen, sei ein angenehmes Arbeitsklima und die Möglichkeit, offene Gespräche zu führen, unabdingbar. In der Tagesklinik tragen hierzu besonders Supervisionen bei. Ebenso fügte er hinzu: „Man muss sich in der Therapie aufeinander verlassen können, was hier der Fall ist.“

Am Ende des hier auszugsweise beschriebenen Besuches bedankten wir uns herzlich für die freundliche Aufnahme und die vielen interessanten Einblicke in den therapeutischen Alltag, der uns angehenden Heilerziehungspfleger/innen viele wertvolle Impulse für unsere eigene Arbeit gegeben hat.

Text: Aylin Bullmann (HEP/U)
Fotos: Andreas Mäteling


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