Revolution im Berufsfeld der Heilerziehungspflege steht bevor

Der Diplom-Sozialpädagoge und Soziologe Dr. Ulrich Janssen, Vertreter des Berufsverbandes Heilerziehungspflege (HEP) und ein aus vielen Veröffentlichungen rund um die HEP bekannter Fachmann, besuchte uns am 12.02., um über die Struktur und die Aufgabenfelder des Berufsverbandes zu berichten und um uns aus seiner Sicht eines berufspolitisch Aktiven einen Einblick in die Zukunft der Heilerziehungspflege zu geben.

Dr. Janssen begann zuerst mit einem kurzen Ausflug in die Geschichte der Heilerziehungspflege: 1933 gründete Ludwig Schleich die erste Anstalt für Menschen mit Behinderung in Stetten. Er war der erste, der bemüht war, diese Zielgruppe ernst zu nehmen und sie gemäß dem Leitfaden „Was brauchen Menschen mit Behinderung“ zu behandeln. Nachdem 1971 die ersten Heilerziehungspfleger ihre staatlichen Prüfungen ablegten, wurde klar, dass auch diese Berufsgruppe einen Berufsverband benötigte. 1984 wurde dann endlich der Berufsverband Heilerziehungspflege gegründet.

Letzterer, so Dr. Janssen, sei nötig, um die Rechte und Interessen der Heilerziehungspfleger zu vertreten. Hierbei wies er vor allem auf den ganzheitlichen Leitsatz der HEP hin. Dieser war bereits vor 20 Jahren nicht deutlich definiert, als staatlich entschieden wurde, den Heilerziehungspfleger als Pflegefachkraft anzusehen. Dadurch wäre er als Berufsgruppe in die Pflegeverssicherung aufgenommen worden und infolge damaliger Kürzungen von Pflege-Leistungen auch als Berufsgruppe gefährdet gewesen. Nachdem sich daraufhin der Berufsverband starkmachte und auf den ganzheitlichen Ansatz der Berufsgruppe der Heilerziehungspfleger und auf deren originäres (Ausbildungs-)Profil verwies, blieb diese Berufsgruppe eigenständig. Hier wird schon deutlich, warum es den Berufsverband überhaupt gibt. Neben dem Einsatz für eine klare Abgrenzung zu anderen in der Behindertenhilfe tätigen Berufsgruppen, gehört auch die Vertretung des Berufsbildes in der Öffentlichkeit und die Teilnahme an politischen Debatten in Landtagen und im Bundestag zu den Aufgaben des Berufsverbandes. Ziel ist es, stets deutlich zu machen, dass die Heilerziehungspfleger die einzigen Fachkräfte in der Behindertenhilfe sind, die über fundierte pädagogische, pflegerische und gemeinwesenorientierte Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen und diese miteinander vernetzen.

Ein weiteres wichtiges Aufgabengebiet des Berufsverbandes wird laut Dr. Janssen in der kontinuierlichen Information der Berufsangehörigen über die regelmäßig erscheinende Fachzeitschrift HEP-Informationen gesehen, die wir aus der Bibliothek unserer Schule kennen. Dr. Janssen legte uns als angehenden Heilerziehungspflegern eindringlich ans Herz, uns auf der Höhe Zeit zu halten, um stets darüber informiert zu sein, wenn sich fachlich und sozialpolitisch etwas im Bereich der Heilerziehungspflege ändere. Dabei könne die Mitgliedschaft im Berufsverband eine große Hilfe sein. Manchmal aber sei auch ganz praktische Hilfe vor Ort nötig, wenn es zum Beispiel Probleme mit dem Arbeitgeber gibt. Hier sei die mit der Mitgliedschaft verbundene Arbeitsrechtschutzversicherung besonders relevant.

Auf die Frage einer Schülerin, inwiefern sich der Beruf des Heilerziehungspflegers im Zuge der aktuellen Inklusionsbestrebungen verändern werde, machte Dr. Janssen deutlich, dass unsere Generation von angehenden Heilerziehungspflegern vor einer beruflichen Revolution stünde. Der Berufsverband Heilerziehungspflege begrüße im Allgemeinen den Gedanken des „Miteinanders“ der Inklusion. Dies habe, so Dr. Janssen, großen Einfluss auf die Einrichtungslandschaft in Deutschland. Es werde sicherlich weniger Einrichtungen wie z.B. Werkstätten für behinderte Menschen und klassische Wohnheime geben, wodurch natürlich auch das Arbeitsfeld des Heilerziehungspflegers sich ändere: Weg von der ursprünglichen Betreuung in großen Einheiten, hin zum umfassenden Ansprechpartner von Menschen mit Behinderungen, der im Rahmen des persönlichen Budgets bei jeglichem Bedarf an heilerziehungspflegerischer Unterstützung gebucht wird. Laut Dr. Janssen werden wir daher in Zukunft viele selbstständige Heilerziehungspfleger auf dem Markt antreffen, die dort ihre fachspezifischen Leistungen anbieten. „Die klassische Sicherheit im Sinne einer Beamtenmentalität – wie man sie in manchen Einrichtungen kennt – wird für Sie in Zukunft keinen Bestand mehr haben“, so Dr. Janssen.

Um die Inklusion in Gänze umsetzen zu können, seien aber noch viele weitreichende Veränderungen innerhalb der Gesellschaft nötig. Auf diesem Wege sehe sich der Berufsverband auch in der Pflicht, auf Fehler in der Entwicklung hinzuweisen, wie man sie zum Beispiel bezüglich der Schullandschaft beobachten kann. Dr. Janssen: „Inklusive Schulen sind ein schönes und wünschenswertes Modell, aber sie sollten nicht als Einsparmöglichkeit für Finanzminister gesehen werden.“

Alles in allem war der Besuch Dr. Janssens für uns sehr interessant und anregend! Er hat uns vor allem gezeigt, wie wichtig es ist, dass wir uns stets auf dem Laufenden halten und uns (auch) berufspolitisch engagieren.

Text: Gina Toonen, Hendrik Köster (HEP/O)
Fotos: Andreas Mäteling

Artikel in der Verbandszeitschrift


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