Psychopharmaka – wenn überhaupt, dann richtig!

Der Apotheker Petja Kramer klärte die HEP/O über die Anwendung von Psychopharmaka und alles, was es dabei alles zu beachten gibt, auf.
Am 23.03.2012 wurden wir, die Studierenden der HEP/O, im Fach Psychiatrie von Herrn Petja Kramer besucht. Herr Kramer ist Apotheker und Inhaber der Drachen-Apotheke in Gel-dern, wodurch er einigen Studierenden unserer Klasse bereits bekannt war. Zuvor hatten wir im Psychiatrieunterricht verschiedene psychiatrische Erkrankungen besprochen und uns besonders intensiv mit dem Thema „Depressionen“ befasst. Da gerade auch bei diesem Krankheitsbild neben der Psychotherapie vor allem die medikamentöse Therapie bedeutsam ist, waren wir daran interessiert, von einem Apotheker Genaueres über die Arzneimittelgruppe der so genannten Psychopharmaka zu erfahren.
Zu Beginn erzählte uns Herr Kramer, dass jeder vierte Arztbesuch und jede vierte Arbeitsun-fähigkeit aufgrund einer psychischen Erkrankung erfolgt. Er betonte jedoch auch, dass die Menschen heute nicht kranker sind, sondern mehr Betroffene zum Arzt gehen und dann in die Statistik aufgenommen werden. Ein anderer statistischer Wert ließ uns aber noch mehr aufhorchen: „Es gibt jährlich mehr Todesopfer durch falsche Medikation als durch Verkehrs-unfälle“, so Herr Kramer. Nicht zuletzt um diesem entgegenzuwirken sind Informationsveran-staltungen mit angehenden Pflegekräften von großer Wichtigkeit.
Um die Wirkweise der Psychopharmaka besser verstehen zu können, wiederholte Herr Kra-mer nach seiner Einleitung noch einmal kurz, wie es zu psychiatrischen Erkrankungen kommt. Als Ursachen nannte er: Veranlagung, organische Schäden wie Hirnschäden nach einem Unfall, Suchtverhalten und eine Störung im Neurotransmitterstoffwechsel sowie Ver-änderungen der Struktur einer Nervenzelle im Gehirn.
Die letzten beiden Ursachen machte er anhand von Abbildungen per Powerpoint deutlich. Zunächst hat er uns den Aufbau einer Nervenzelle beschrieben und anschließend die Sig-nalübertragung zwischen Nervenzellen im Gehirn. Wenn es zu einem Mangel an Neuro-transmittern (Botenstoffen) kommt, kann eine psychische Erkrankung, wie beispielsweise eine Depression, entstehen. Eine weitere Veränderung ist der Rückgang von Rezeptoren an einer Nervenzelle, sodass weniger Botenstoffe aufgenommen werden können. In diesem Zusammenhang verdeutlichte Herr Kramer uns dann die konkrete Funktionsweise von Psychopharmaka, die die Anzahl der Neurotransmitter und der Rezeptoren erhöhen, sodass die Störung in der Signalübertragung behoben werden kann.
Danach folgten genaue Informationen zu den Unterarten der Psychopharmaka. Zunächst berichtete Herr Kramer über die „Antidepressiva“. Wir erfuhren, dass Antidepressiva bei De-pressionen, Zwangsstörungen, Panikattacken und Ess-Störungen eingesetzt werden. Diese Arzneimittel wirken stimmungsaufhellend und angstlösend. Der Apotheker erzählte, dass An-tidepressiva erst nach zwei bis vier Wochen wirken, die Nebenwirkungen jedoch schon nach der Einnahme der ersten Tablette auftreten. Über diese Tatsache müssen Patienten vorher unbedingt informiert werden, damit sie die Einnahme nicht vorzeitig beenden. Zu den Nebenwirkungen zählen Schlaflosigkeit, Verwirrtheitszustände, Krampfanfälle und Mundtro-ckenheit.
Im Anschluss an die Antidepressiva thematisierte Herr Kramer die so genannten Neurolepti-ka. So erfuhren wir, dass diese bei schizophrenen Psychosen und Angstzuständen verab-reicht werden. Neuroleptika lindern die psychotischen Symptome und haben den Vorteil, dass sie das Bewusstsein und die intellektuellen Fähigkeiten kaum beeinflussen. Allerdings treten Nebenwirkungen wie hormonelle Störungen und das Ausführen unwillkürlicher Bewegungen auf.
Wir lernten noch eine dritte Unterart, die „Tranquilizer“, kennen. Sie werden bei Unruhe, Angstzuständen, Schlafstörungen, Epilepsie und Depressionen eingesetzt. Die Tranquilizer, auch Benzodiazepine genannt, haben eine angstlösende, beruhigende, schlafanstoßende und muskelerschlaffende Wirkung, außerdem rufen sie das Gefühl der Gleichgültigkeit hervor. Zu den Nebenwirkungen zählen Benommenheit, Verwirrtheit und eine hohe Sturzgefahr, weil das Erschlaffen der Muskulatur zu einem Kontrollverlust der Beine führt. Auch machen diese Arzneimittel abhängig.
Nach seinem Vortrag über diese und weitere Psychopharmaka – wie viele es davon gibt, durfte jeder, der wollte, mal in der Apotheker-Bibel „Rote Liste“ nachschlagen – gab uns Herr Kramer die Möglichkeit, auch zu anderen Themen Fragen zu stellen. Dieses Angebot nutzten wir und stellten Fragen zu den Themen Aufklärungspflicht in Apotheken, Medikamentenmiss-brauch und Fehler bei der Medikamenteneinnahme bzw. -gabe. Zu Letzterem gehörte z.B. das in der Berufspraxis manchmal zu beobachtende Auseinandernehmen von Kapseln, die gar nicht geöffnet werden dürften, oder das Mörsern und Vermengen von sämtlichen, nicht immer für einen „Cocktail“ kompatiblen Tabletten, die zusammen über eine PEG-Sonde ver-abreicht werden.
Abschließend bedankten wir uns bei Herrn Kramer mit einem kleinen Präsent für seinen inte-ressanten Vortrag mit vielen wertvollen Hinweisen für unsere zukünftige praktische Arbeit, bei der wir häufig mit Medikamenten im Allgemeinen und mit Psychopharmaka im Speziellen zu tun haben werden.
Spätestens nach diesem Vortrag war uns allen klar, dass das manchmal zu hörende Vorurteil gegenüber Apothekern, sie seien „akademische Schubladenzieher“ (O-Ton Herr Kramer), absolut nicht zutrifft. Uns wurde vielmehr deutlich, wie viel Wissen ein Apotheker haben muss, um seine Kunden und auch Ärzte und uns Pflegekräfte nicht nur über Risiken und Nebenwirkungen beraten zu können. Damit dieses Wissen richtig eingesetzt werden kann, erscheint uns eine intensive Zusammenarbeit mit allen an der Therapie beteiligten Berufs-gruppen von besonderer Bedeutung zu sein. Dass diese Zusammenarbeit zwischen den Berufsgruppen nicht immer reibungslos läuft und vor allem auch durch berufsständisches „Platzhirschgehabe“ behindert wird, verschwieg uns Herr Kramer bei seinem Vortrag nicht.
Insgesamt waren es drei sehr informative Unterrichtsstunden, in denen unser bisheriges Wissen aus dem Psychiatrieunterricht sinnvoll ergänzt wurde. Ein herzliches Dankeschön an den Referenten Herrn Kramer, den wir weiteren HEP-Klassen nur empfehlen können!
Text: Ina Behet (HEP/O)
Fotos: Andreas Mäteling


Kommentare

  1. Susanne sagt:

    Geteiltes Wissen ist doppeltes Wissen! Gute Sprecher und gute Zuhörer sorgen dafür, dass falsche Anwendung, Unfälle und Clichés weniger/nicht mehr vorkommen. Respekt !

Hinterlasse einen Kommentar