Vom „Massengrab“ zum „Urnengemeinschaftsgrab“

Was Sie schon immer mal über Bestattungen und den Beruf des Bestatters wissen wollten!“ So hätte man die Unter-richtsstunde in der FH/12S3 im Fach Religion überschreiben können, die im Rahmen einer Unterrichtseinheit stattfand, in der aus verschiedenen Blickwinkeln die Betreuung und Pflege von Sterbenden und deren Angehörigen betrachtet wurde.
Viel zu schnell verging die Fragerunde mit dem Bestatter Georg Raeth, den die Schü-lerinnen Loreen und Julia (Foto unten) in den Unterricht eingeladen hatten. Nach einem sehr informativen Referat über die Unterschiede der Bestattungskultur im Judentum, Islam und Christentum, eröffneten Loreen und Julia die Fragerunde mit dem Experten zunächst anhand eines selbst erstellten Fragenkataloges. Rasch entwickelte sich ein munteres Unterrichtsgespräch, das kaum jemanden unbeteiligt ließ. Die Fragen waren dabei sehr vielfältig:

– Wie lange dürfen Leichen zu Hause bleiben?
– Wie groß ist eigentlich ein Urnengrab?
– Kann man sich auch in den Niederlanden, wo es keinen Friedhofszwang gibt, verbrennen, sich anschließend per Urne von einem Verwandten mit nach Deutschland nehmen und dann „ins Wohnzimmer stellen“ lassen?
– Lässt sich überhaupt nach dem Ver-brennungsvorgang die Asche des Sarges von der des Leichnams wieder trennen?
– Was passiert nach 25 Jahren mit dem Grabstein?
– Was würde denn mit den Särgen passieren, wenn mal ein Friedhof aufgelöst würde?
– Wo gibt es in unserer Nähe einen Friedwald?
– Hatten Sie schon mal das Opfer eines Mordfalls zu bestatten?

Schon aus dem Referat wussten wir, dass es heutzutage sehr viele verschiedene Bestattungsarten gibt. Einige Auswüchse der heutigen Möglichkeiten bei Bestattungen, die Herr Raeth uns vorstellte, ließen uns dann aber doch noch staunen. Die Vorstellung, dass man nach dem Tod bei der Diamantbestattung sogar zu einem Piercing „verarbeitet“ werden könnte, trieb nicht wenigen Schüler/innen das Entsetzen ins Gesicht.
Solche exklusiven Wünsche seien laut Herrn Raeth zugegebenermaßen selten. Zu den „harmloseren“ individuellen Wün-schen gehörten zum Beispiel die Stange Reval als Grabbeigabe für den passionierten Reval-Raucher sowie der Tennis-schläger oder das Trikot des Lieblingsvereins.
Manche Verstorbene hätten schon zu Lebzeiten selber darüber verfügt, wie sie sich die Bestattung und auch den Gottes-dienst inklusive musikalische Gestaltung vorstellen. Wenn dies schriftlich festgehalten wurde, sei dies auch auf jeden Fall verbindlich. „Der Wille des Menschen ist unantastbar und kann sogar gerichtlich durchgesetzt werden“, so Herr Raeth.
Zu den aus seiner Sicht ungewöhnlichsten Bestattungen zählte Herr Raeth die Friedwaldbestattung. „Hier suchen sich Menschen zum Beispiel einen Baum aus, dessen Besitzer sie für 99 Jahre werden, an dem lediglich eine Plakette angebracht wird und zu dessen „Füßen“ sie bestattet werden. Die Vorstellung, dass ab sofort jede vorbeilaufende Dogge ihr Beinchen daran heben könnte, sei doch mehr als gewöhnungsbedürftig“, so Herr Raeth.
Auf die Frage nach den größten Belastungen als Bestatter antwortete Herr Raeth, dass ihm sowohl die Aufgabe des Bestat-ters im Umgang mit Unfallopfern als auch mit Menschen, die durch Suizid ums Leben gekommen sind, besonders schwer falle. „Hiervon träumt man dann immer auch nachts und wird nicht selten davon wach“, so Herr Raeth.
Nicht minder belastend sei der Umgang mit verstorbenen Kindern, aber vielmehr noch der mit den trauernden Angehörigen.
Zur Bewältigung im Umgang mit den vielen persönlichen Schicksalen sei für ihn immer der Wechsel zwischen der Tätigkeit des Bestatters und der des Gastronomen vom „Lemkes Hof“ in Geldern-Pont hilfreich. Darüber hinaus tauchte auch hier das Thema Umgang mit Nähe und Distanz wieder auf, was im Laufe der Unterrichtseinheit zuvor schon im Zusammenhang mit den Anforderungen an Pflegekräfte und deren Umgang mit Tod und Sterben von Patienten und Bewohnern bedacht wurde.
Am Ende des Unterrichts, nachdem auch noch die Frage nach der persönlichen Motivation Bestatter zu werden geklärt werden konnte, bedankten sich die Schüler/innen herzlich für die vielen fachlichen Auskünfte, aber zugleich auch für einen intensiven Einblick in den ganz persönlichen Umgang mit Tod und Trauer.

Text und Fotos: Andreas Mäteling


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