Demo als Zeichen gegen Rassismus

Waren es 1500 bis 2000 Teilnehmer, wie die Polizei meldete, oder doch sogar annähernd 3000 Menschen, wie aus einem Veranstaltermund zu hören war? Das lange Lichtermeer, das sich am 3. März ausgehend vom Marktplatz über die Gelderner Wälle prozessionsartig erstreckte, war in jedem Fall ein überzeugendes Zeichen für Demokratie, für Frieden und gegen Rassismus. Auch wir als Schule beteiligten uns aktiv an dieser bunten Lichter-Demonstration, zu der die Gelderner Parteien (außer der AfD), die Kirchen und Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften und Vereine und eben auch wir als Liebfrauenschule und die benachbarte Realschule aufgerufen hatten.

Gleich vier Stationen auf der langen Marschroute luden mit einem Impuls zum Nachdenken und Besinnen ein. Einen davon gestalteten wir als Liebfrauenschule auf dem Nordwall. An der Stelle, an der bis zur Reichspogromnacht 1938 die von den Nazis niedergebrannte Synagoge stand, verteilten Schülerinnen und Schüler als Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus die so genannten „Stolpersteine“ in Papierform. Flankiert wurden sie dabei durch zahlreiche Laternen, die ebenfalls als Motiv einen Stolperstein trugen. Zeitgleich wurde an der Gedenktafel, die an die Synagoge erinnert, eine Mahnwache gehalten.

Mit dieser Aktion gerade an dieser Stelle setzte unser Berufskolleg wiederholt ein Zeichen gegen Rassismus und insbesondere Antisemitismus.

1988 hatte sich, 50 Jahre nach der Pogromnacht, unsere frühere Kollegin Renate Schwarz mit Fachabiturientinnen aus der FOS/12S2 und S3 an der Ausstellung „Juden in Geldern“ im Gelderner Rathaus beteiligt. Als ein Ergebnis daraus stellten die Schülerinnen am 19.12.1988 einen Bürgerantrag an den Rat der Stadt Geldern, eine Hinweistafel am Nordwall anzubringen, die an die ehemalige Synagoge erinnern sollte. Dieser Antrag stieß auf breite Zustimmung.

Am 23.10.1989 fand daher in unserer Schule ein Gespräch mit dem früheren Gelderner Bürgermeister Paul Heßler, dem damaligen Stadtdirektor Becker, den FOS-Schülerinnen und Frau Schwarz statt. Außerdem nahmen Bernd van Essen, der später unser Schulleiter werden sollte, und Herr Apfelbaum, ein jüdischer Bürger aus Geldern, am Gespräch teil. Dort verständigte sich die Gruppe auf den Text der Tafel, die auf einem Findling befestigt werden sollte: „Unweit dieses Ortes -am Nordwall 39- stand die 1875 erbaute Synagoge der jüdischen Gemeinde Geldern. Intoleranz und Rassenwahn zerstörten sie in der Pogromnacht vom 9.11.1938. Der Vernichtung der Synagoge folgte der Mord an den jüdischen Mitmenschen.“

Auch Carola Gerson, deren „Stolperstein“ die Schülerinnen und Schüler der Liebfrauenschule bei der Demonstration verteilten, gehörte zu den späteren Opfern.

In den 90er Jahren nahmen Lehrerinnen und Schülerinnen der Liebfrauenschule noch mehrfach an Mahnwachen aus Anlass der Pogromnacht in Geldern teil.

Die Teilnahme an der Demonstration am Vorabend des 4. März, dem Tag, an dem die Allierten 80 Jahre zuvor Geldern befreiten, war damit ein starkes und vor allem wichtiges Zeichen dafür, dass sich die Liebfrauenschule für Demokratie und Frieden, für Verständnis füreinander und gegen Rassismus einsetzt.

Text und Fotos: Ewald Hülk
Foto Synagoge: https://www.jüdische-gemeinden.de/index.php/gemeinden/e-g/697-geldern-nordrhein-westfalen


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