Der Inklusionsbeauftragte des Kreises Kleve stellt sich der HEP vor.

Im Rahmen des Politikunterrichts der HEP O und U war Herr Niklas Beyer, der Inklusionsbeauftragte des Kreises Kleve, zu Gast. Zu Beginn stellte er seinen beruflichen Werdegang und seine Tätigkeitsbereiche vor. Überraschend war hierbei für alle sicherlich, dass er zunächst nach dem Fachabitur eine Ausbildung zum Lebensmitteltechniker absolviert und, anschließend an der Hochschule Rhein-Waal dann „Internationale Beziehungen“ studierte. Seinen Master machte er im nachhaltigen Entwicklungsmanagement. Zeitlich ergänzten sich Masterarbeit und seine Tätigkeit als Inklusionsbeauftragter gut, so Beyer, denn für den Kreis Kleve sei er mit einer 19,5-Stunden Stelle im Einsatz. Herr Beyer erläuterte, er sei Verwaltungsexperte, die Expertise im Arbeitsfeld „Menschen mit Behinderung“ erarbeite er sich im Moment noch, da er erst seit Juni in seiner Funktion tätig sei.

„Wie er denn dann zum Inklusionsbeauftragten wurde“, wollten die Studierenden wissen. Herr Beyer erläuterte, dass in seiner Familie einige in diesem Arbeitsfeld mit Menschen mit Behinderung tätig seien und einen Einfluss auf seine Entscheidung gehabt hätten, diese Stelle anzunehmen. Herr Beyer ist beim Kreis Kleve für den Aufbau und die Koordination von Netzwerken zuständig und sprach von dem Grundsatz „nichts über uns ohne uns“, d.h. die Menschen mit Behinderung sollen in alle Überlegungen mit einbezogen werden. Er vertritt die Interessen von Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen. Inklusion bedeute für ihn Potenzialentfaltung und Vielfalt in der Gesellschaft, so Beyer.

Ob er etwas anregen könne, damit die Teilnahme an z.B. Stadtranderholungsangeboten für Menschen mit Assistenzbedarf nicht nur bis 16 Jahren möglich sei, sondern es dran einen Anschluss gebe, da diese Freizeitmöglichkeiten sehr wichtig seien, wollte eine Studierende von Herrn Beyer nach der Vorstellung seiner Person wissen. Ihre Schwester habe immer gern an dieser Maßnahme teilgenommen, sei aber jetzt durch Erreichen der Altersgrenze ausgeschlossen.“ Hier solle es doch dringend Anschlussmöglichkeiten geben und sie wolle ihm diesen Gedanken als Anregung mitgeben. Herr Beyer versprach, das im Blick zu behalten.

Positiv hob er einige Inklusionsprojekte im Kreis Kleve hervor, z.B. die Theater-AG des Hauses Freudenberg, aber auch Selbsthilfegruppen wie z.B. „Taube Nuss“, eine Gruppe „junggebliebener und hörgeschädigter Menschen, die zusammen Wege suchen, um mit ihrer Hörschädigung umzugehen und ein lebenswertes Leben zu führen“ (Zitat auf der Homepage der Selbsthilfegruppe). Auf die kritische Anmerkung einer Schülerin, was den doch befremdlichen Namen anging, entgegnete Herr Beyer, die Gruppe habe sich den Namen selber gegeben und als Betroffene sei Ironisierung durchaus erlaubt.

In einer sehr lebhaften Diskussion ging es auch um Möglichkeiten für MmA, auf den ersten Arbeitsmarkt zu kommen, also, Zitat Herr Beyer „empowered“ zu werden. Hier konnte er leider nur wenige Beispiele nennen und sah großen Nachholbedarf. Hier kam es auch zu einem sehr kontroversen Austausch zwischen einzelnen Studierenden, was die Entlohnung von MmA in Werkstätten anging. Herr Beyer betonte als Teil seiner Aufgabe die Sensibilisierung und Schulung von Institutionen und Unternehmen in diesem Zusammenhang.

Eine weitere wichtige Aufgabe für sich sah der Inklusionsbeauftragte darin, den Bereich des inklusiven Wohnraums zu fördern. Er möchte an Investoren und Bauherren herantreten und sie für neuen Wohnraum für Menschen mit Assistenzbedarf gewinnen, z.B. für betreutes Wohnen o.ä. Regelmäßige Kontakte pflegt er insbesondere mit den Bürgermeistern/innen und dem Landrat, aber auch mit dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales in Düsseldorf. Weitere Austauschmöglichkeiten gibt es in seiner Arbeit über die Landesarbeitsgemeinschaft der Inklusionsbeauftragten.

Die Frage nach seinen aktuellen Projekten im Kreis Kleve beantwortete Herr Beyer mit Verweis auf den Inklusionsbeitrag des Kreises Kleve. Das Projekt, das er betreut, heißt „In Zukunft inklusiv.“ Es geht um Maßnahmen in den ausgewählten Kreisen Düren, Kleve und Unna zur nachhaltigen Verbesserung der Chancengleichheit und um einen wichtigen Schritt Richtung inklusive Gesellschaft zu machen. Gemeinsam mit der Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe NRW als Projektträger werden gezielte Maßnahmen entwickelt, um die gesellschaftliche und politische Teilhabe von Menschen mit Behinderungen im Kreis Kleve nachhaltig zu verbessern. Es gehe darum, diesen Menschen wirksame kommunalpolitische Teilhabe zu ermöglichen. „Der Abbau von Barrieren sei zentrales Anliegen und ein Akt der Nachhaltigkeit“, erklärte Beyer und führte aus: „Barrierefreiheit kommt allen Menschen zugute, ob nun zum Beispiel Menschen mit Sehbehinderung oder Lernschwierigkeiten, den Eltern mit Kinderwagen oder eben auch alten Menschen, die nicht mehr so mobil sind.“

Der Fokus beim aktuellen Projekt liegt hier zunächst auf der Kreisebene. Das heißt, Menschen mit Assistenzbedarf sollen künftig bei all den politischen Entscheidungen, die vom Kreistag getroffen werden, berücksichtigt und einbezogen werden. Ein wichtiges Anliegen des Projekts ist aber auch die Vernetzung zwischen Kreis und angehörigen Gemeinden zu intensivieren, damit sich der Kreis als Ganzes inklusiver entwickeln kann. Er sehe sich dort als Schnittstelle und habe Sprachrohrfunktion, so Beyer. Die Projektlaufzeit sei bis 2025 angedacht.

Herr Beyer erklärte in diesem Zusammenhang den Begriff „Disability Mainstreaming“, der in Analogie zu dem bei der Geschlechteremanzipation verwendeten Begriff „Gender-Mainstreaming“ gebraucht wird und die Absicht bezeichnet, die Gleichstellung von Menschen mit Assistenzbedarf auf allen gesellschaftlichen Ebenen durchzusetzen. Hierbei ging Herr Beyer auf die „UN-Konvention zur Förderung und zum Schutz der Rechte und Würde von Menschen mit Behinderungen“, kurz „UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ ein, auf die sich „Disability Mainstreaming“ stützt. Die Umsetzung des Projekts „In Zukunft inklusiv.“ werde durch das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert.

Weitere Maßnahmen, für die er sich einsetze, seien der Aufbau eines Netzwerks, die Förderung barrierefreier Zugänge und Infrastruktur, besonders auch im digitalen Bereich, Sensibilisierungskampagnen, die Erstellung einer Satzung zur Wahrung der Belange von Menschen mit Behinderungen auf Kreisebene und der Aufbau einer Interessenvertretung, so Herr Beyer.

Ein weiteres Vorhaben ist der sogenannte Sprachleitfaden im Kreis Kleve. Der Kreis Kleve verpflichtet sich, im alltäglichen Sprachgebrauch Rücksicht auf Menschen mit Behinderung zu nehmen. So solle laut Herr Beyer, beispielsweise der Begriff „Behindertenparkplatz“ verschwinden und durch „barrierefreie Parkplätze“ ersetzt werden, um so Menschen mit Behinderung nicht von vornherein durch Begrifflichkeiten zu diskriminieren. Hier wurde von den Studierenden zurecht auch der von ihm benutzte Begriff „Menschen mit Behinderung“ hinterfragt, denn auch der Begriff sei ja schon diskriminierend. In ihrer Ausbildung als Heilerziehungspfleger*innen wird dieser nicht mehr eingesetzt. Man spricht stattdessen von Menschen mit Assistenzbedarf.

Die Studierenden bedankten sich bei Herrn Beyer für die Zeit, die er sich genommen hatte und Herr Beyer äußerte sich lobend über die gestellten Fragen und die stellenweise sehr angeregte und engagierte Diskussion. Er freue sich darauf, sicherlich mit der einen oder anderen Person in deren künftigem Berufsleben als Heilerziehungspfleger*in zu tun zu haben.

Text: Celine Ermers und J. Terhorst
Fotos: J. Terhorst


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