„Inklusives Theater- Kein Trauerspiel“

Die TheaterWerkstatt der Haus Freudenberg GmbH macht’s möglich: raus aus der „Behinderten-Nische“, rein ins INKLUSIVE kulturell-gesellschaftliche Leben auf Augenhöhe.

Am 22.08.2023 besuchte die HEP/B im Rahmen ihrer Blockwoche die Probenräume der TheaterWerkstatt der Haus Freudenberg GmbH, die von Anna Zimmermann-Hacks initiiert und bis heute von ihr geleitet wird. Ihr ist es besonders wichtig, dass alle aus der Gruppe sich gesehen und zugehörig fühlen. Um es mit Bühnensprache auszudrücken: Nicht nur die Hauptrollen stehen im Spotlight, jede Rolle ist wichtig für ein gelingendes Bühnenstück.

Zunächst begann der Tag mit der Begrüßung der Studierenden durch Frau Zimmermann-Hacks und ein paar erklärenden Worten zu ihrer Person und der TheaterWerkstatt im Allgemeinen. Auch wurden die fünf Schauspieler mit Assistenzbedarf vorgestellt, die gemeinsam mit den Studierenden den Tag bestritten und den Workshop lebendig und unbeschwert gestalteten.

Begonnen wurde die theaterpädagogische Arbeit mit einer Raumlaufübung zum Aufwärmen. Hierbei mussten sich die Teilnehmenden auf sich selbst fokussieren, achtsam und aufmerksam sein und ein Gefühl für den Raum und Bewegung bekommen. Insgesamt gab es fünf Bewegungsstufen, die mit weiteren Details variiert wurden. Während sich alle in Zeitlupe bewegten (Stufe 1), langsam gingen (Stufe 2), sich in ihrem normalen Tempo durch den Raum bewegten (Stufen 3), zügig gingen (Stufe 4) oder sogar schnell liefen (Stufe 5), mussten sie immer darauf achten nicht mit anderen Teilnehmenden zu kollidieren und gleichzeitig auf die Kommandos der Spielleitung achten, die die Wechsel zwischen den Gehstufen ansagte. Es herrschte ein emsiges Treiben auf der Spielfläche, welches nach kurzer Zeit recht gut koordiniert wirkte. In Ergänzung zum Lauftempo erhielten die Teilnehmenden die Aufgabe, sich bei Blickkontakt mit den Knien zu berühren, dem Po oder ganz nah: mit der Nasenspitze. Ziel war es sich selbst Grenzen zu setzen und noch viel wichtiger: die Grenzen anderer wahrzunehmen und zu berücksichtigen.

Nach dem Aufwärmen ging es richtig los: die Gruppe sollte zu vorgegebenen Themen oder Motiven gemeinsam ein Standbild gestalten, ohne sich vorher abzusprechen. Ein Teilnehmer startete, begab sich in seine Position und Mensch für Mensch setzte sich das Standbild immer weiter zusammen. Bei dieser Übung kommt es nicht nur auf das eigene Körpergefühl an, sondern auch darauf seine Umgebung zu beobachten und zu lesen. Das Standbild setzt sich wie ein Mosaik aus mehreren Steinchen zusammen, die einzeln für sich existieren können, jedoch nur gemeinsam ein stimmiges Bild ergeben. Zugegeben, diese Aufgabe war etwas kniffelig, aber mit der Unterstützung von Frau Zimmermann-Hacks meisterten alle diese Herausforderung mit Bravour.

Nach der gemeinsamen Stärkung in der Pause erfolgte eine etwas ruhigere Vorbereitungsphase, in der die Studierenden sich in einem Sitzkreis darüber austauschten, was ihnen in ihrer Arbeit besonders wichtig ist. Es wurden Begriffe gesammelt und schließlich wurden Gruppen eingeteilt, die auch immer einen Schauspieler mit Assistenzbedarf inkludierten. In diesen Kleingruppen wurde dann durch Standbilder oder kleinere Szenen das dargestellt, was den Studierenden besonders am Herzen lag: Freude und Spaß (hier wurde gemeinsam getanzt), Zusammenhalt und Teamgeist, gemeinsam an einem Strang zu ziehen, Vertrauen, Offenheit, Ehrlichkeit und die Grenzen anderer zu respektieren und selbst Grenzen zu setzen. Um besser in die Rolle (und auch wieder aus ihr heraus) zu finden, durften sich alle an dem Kostümfundus der TheaterWerkstatt bedienen und sich Kostüme und Requisiten nehmen.

Zwei Achtsamkeitsübungen und eine abschließende Blitzlicht-Feedback-Runde bildeten den krönenden Abschluss dieses ereignisreichen Projekttages. Zunächst verteilten sich die Teilnehmenden paarweise auf der Spielfläche und versuchten gegenseitig ihre Bewegungen zu spiegeln. Dabei wurde leise Musik im Hintergrund gespielt und es entstand eine ruhige und konzentrierte Atmosphäre im Raum. In der letzten Übung ging es um Verbundenheit und Energie, die man mit seinem Gegenüber teilt. Die Teilnehmenden stellten sich einander gegenüber, streckten die Arme aus und berührten ihre Handinnenflächen. Dann schlossen alle die Augen und entfernten sich langsam rückwärts voneinander. Jeder blieb so lange in Bewegung, bis er glaubte die Verbindung zu seinem Partner oder seiner Partnerin nicht mehr zu spüren. Es war erstaunlich, wie weit sich einige entfernt hatten. Offenbar hat eine innere Verbindung nicht zwangsläufig etwas mit physischer Nähe zu tun, sondern kann auch Grenzen überwinden und Trennungen überdauern.

Die Essenz des Blitzlichtes am Schluss war, dass alle viel Spaß und Freude an diesem Tag hatten, erstaunliche Dinge über sich selbst und andere erfahren haben und ein offener und zugewandter Umgang mit Menschen hilft, Hürden und Berührungsängste zu überwinden. Dank Anna Zimmermann-Hacks konnten die Studierenden der HEP/B aktiv erfahren, wie Vielfalt und Zugehörigkeit im Anderssein durch theaterpädagogische Arbeit erreicht werden kann und Ideen dazu mit in ihre Praxisstellen nehmen. Jede/r hat das Recht auf individuelle Entwicklung und auf Partizipation (ganz gleich in welchem Lebensbereich), ungeachtet dessen welche persönlichen Dispositionen und/oder Unterstützungsbedürfnisse vorhanden sind.

Die HEP/B bedankt sich herzlich bei Frau Zimmermann-Hacks und ihren Schauspielern für diesen spannenden, lebensfrohen und lehrreichen Tag in der TheaterWerkstatt.

Text & Fotos: Anke Hassels


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