Gen Z – dumm, faul und anspruchsvoll?

21. Podiumsdiskussion der Liebfrauenschule

Am 8. Dezember 2023 fand in unserer Aula die 21. schulinterne Podiumsdiskussion der Reihe „Schülerinnen und Schüler diskutieren mit Experten“ statt. Eine klassen- und jahrgangsstufenübergreifende Projektgruppe aus 18 Schülerinnen und Schülern hatte diese Veranstaltung – unterstützt von sechs Lehrkräften – in den letzten Wochen vorbereitet.

„Generation Z – dumm, faul und anspruchsvoll?“
Immer wieder in den Medien konfrontiert mit dem Vorwurf, eine Generation von konsumorientierten, pessimistischen Leistungsverweigerern auf zielloser Sinnsuche zu sein, wollte die Gruppe diesen Vorwürfen auf den Grund gehen.

Dazu waren fünf Experten geladen: Als Vertreterinnen der jüngeren Generationen kamen die Klimagerechtigkeitsaktivistin und Deutschland-Sprecherin für „Fridays for Future“ Linda Kastrup (geb. 2000) sowie Ronja Ebeling (geb. 1996), Journalistin, Autorin und Podcasterin, die am 8. Juni bei Markus Lanz in seiner ZDF-Talkshow zum Thema „Generation Z“ Gast war. Dr. Paul Eisewicht, Dozent an der Universität Münster mit den Forschungsschwerpunkten Jugendsoziologie, Konsumsoziologie und Kultursoziologie vertrat die wissenschaftliche Sichtweise. Als für die Zukunftsgestaltung mitverantwortlicher Politiker sprach Stephan Wolters (geb. 1967), MdL, Mitglied im Ausschuss für Umwelt und Naturschutz, stellv. Mitglied im Ausschuss für Digitalisierung. Marius Schulte (geb. 1993), Mitglied der IHK Duisburg-Niederrhein, sollte als Unternehmer und Arbeitgeber von Menschen unterschiedlichen Alters Auskunft zum Thema Berufsausbildung und Arbeitsmotivation geben.

Amelie Halmans und Sam van der Rijt aus der 13. bzw. 11. Klasse des Beruflichen Gymnasiums steuerten die Gäste umsichtig und mit z.T. provokanten Fragen und Statements durch die verschiedenen Themenbereiche. Schnell kam eine lebhafte Diskussion in Gang, in der insbesondere Frau Kastrup und Herr Wolters einen Schlagabtausch gegensätzlicher Positionen boten.

Dr. Eisewicht stellte zu Beginn klar, dass die populäre Einteilung der Generationen in z.B. Baby Boomer, Slacker, Millenials und Zoomer (Gen Z) ein eher unwissenschaftliches Denken widerspiegelt und dass insbesondere die starre Einteilung nach Geburtsjahrgängen keine empirische Grundlage hat. Dennoch gebe es zu dieser Art Schubladendenken keine Alternative: Wenn Entscheidungen getroffen werden müssen, habe man schlichtweg keine Zeit, um jeden Menschen individuell zu betrachten. Menschen denken mit Hilfe von Sprache, und jedes Wort wie „Mann“ oder „Frau“ oder „Divers“ oder „Kind“ sei eine Schublade. Solange diese Schubladen keine Abwertung bedeuten, sei das auch gar nicht problematisch. Die Generationeneinteilung habe insofern Sinn, als man damit eine Gruppe von Menschen bezeichnen könne, die unter gleichen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ihre Jugend erlebt. Welche Wertvorstellungen, Motivationen und Handlungen sich daraus ergeben, sei individuell unterschiedlich. Z.B. sei der Klimawandel ein Problem, das alle betrifft. Aber „Gen Z“ sei nicht identisch mit den „Klimaklebern“, diese seien nur ein Segment der gegenwärtig jungen Generation, dem sich Menschen aller Geburtsjahrgänge anschließen könnten.

Ein anrührender Poetry-Slam, vorgetragen von Nele Lanz, rückte das Lebensgefühl junger Menschen ins Bewusstsein des Publikums: das Gefühl, zu viel und zugleich zu wenig zu tun, sich entscheiden zu müssen, aber angesichts der Fülle von Möglichkeiten nicht entscheiden zu können, den Wunsch, ein sinnvolles und glückliches Leben zu führen, und die Angst, zu versagen und Chancen zu verpassen…

Daran anknüpfend stellte Ebeling klar, dass es normal und richtig sei, wenn junge Menschen Wege ausprobieren und mit Abbrüchen und Umwegen ihre Lebensrichtung austesten. Sie selbst habe – wie auch Linda Kastrup – ihren Weg nicht mit dem ersten Versuch gefunden. Biographien wie die von Schulte – Leiter des Familienunternehmens in dritter Generation – würden zunehmend zur Ausnahme. Sie ermutigte das Publikum, die vielen Möglichkeiten als positive Herausforderung zu werten, sich durch Misserfolge nicht entmutigen zu lassen und selbstbewusst den eigenen Platz im Leben zu suchen.

Als einige der wichtigsten negativen Rahmenbedingungen für junge Menschen benannten die Moderatoren den demographischen Wandel, den drohenden Zusammenbruch des Sozialsystems und den Fachkräftemangel: Wo bleibt die Generationengerechtigkeit, wenn ein junger Mensch mit dem größten Teil seiner Sozialabgaben die Renten der Babyboomer bezahlt, er selbst aber keine Rente zu erwarten hat? Wolters verwies dazu auf die Notwendigkeit und die guten Möglichkeiten zu privater Vorsorge. Er appellierte an die anwesenden Schülerinnen und Schüler, sich frühzeitig z.B. bei einer Bank beraten zu lassen. Schulte ergänzte, dass es in seiner Firma schon lange das Angebot einer zusätzlichen Betriebsrente gebe. Beide sehen eine stabile Wirtschaft und ein funktionierendes Bankenwesen als Garanten für die Zukunft der Gen Z. Ebeling konterte mit dem Einwand, dass Banken zuerst ein Eigeninteresse verfolgen und dass diese Ratschläge nicht denjenigen nützen können, die keinen Rückhalt im Elternhaus und keine finanziellen Ressourcen haben. Die zunehmende soziale Spaltung der Gesellschaft sei ebenfalls eines der Probleme, denen die kommende Generation zu begegnen habe.

Befragt nach den wichtigsten Weichenstellungen für die Zukunft nannte Linda Kastrup an erster Stelle und als überlebenswichtig die Bekämpfung des Klimawandels. Sie griff das Versagen der Politik in diesem Bereich heftig an, wofür ihr Szenenapplaus aus dem Publikum sicher war. Wolters‘ Einwand, dass sich über dieses Ziel alle einig seien, dass faktisch die Waldfläche in Deutschland zunehme und dass nur der Weg zu diesem Ziel strittig sei, ließ Castrup nicht gelten. Sie wertete die „Überreaktion der Polizei“ in Lützerath als Politikversagen. Einzelne Umweltschutzmaßnahmen würden in Deutschland überbewertet angesichts der globalen Dimensionen des Problems. Man müsse irgendwo anfangen und Deutschland tue insgesamt viel zu wenig.

Ein Rollenspiel von vier Schülerinnen und Schülern leitete zum nächsten Themenschwerpunkt über: Wer punktet im Bewerbungsgespräch? Die immer zu Überstunden bereite Millenial-Frau oder die junge Uni-Absolventin, die nur für eine ökologisch einwandfreie Firma arbeiten möchte, wo ihr die 4-Tage-Woche und Home-Office angeboten werden? Für Gen Z sei das Gehalt nicht so wichtig, ab einem gewissen Level mache noch mehr Geld auch nicht glücklicher und die Work-Life-Balance müsse eben stimmen.

Schulte machte deutlich, dass in seiner Firma angesichts des Fachkräftemangels beide sofort genommen werden würden und dass die Firma den Wünschen der Bewerber inzwischen so weit wie möglich entgegenkommt. Er stellte überzeugend dar: Der Arbeitsmarkt ist für junge Menschen heutzutage offen. Jeder Bewerber bekommt seine Chance. Die Unternehmen seien in der Pflicht, junge Menschen auszubilden und ihnen die nötige Qualifikation zu vermitteln.

Als Ebeling eingriff und dem Publikum die Frage stellte, wer einen Ausbildungsberuf und wer ein Studium anstrebt, ergab sich eine große Mehrheit für das Studium. Das war eine Steilvorlage für Schultes Anliegen, junge Menschen für Ausbildungsberufe zu motivieren: „Heute mehr denn je gilt der Satz, dass Handwerk einen goldenen Boden hat.“ Und Wolters ergriff die Gelegenheit darauf hinzuweisen, dass die Politik in den letzten Jahren erfolgreich an der Aufwertung des Meister-Titels im Vergleich zu Hochschulabschlüssen gearbeitet habe.

Mitten in der Diskussion mussten die Moderatoren aus Zeitgründen abbrechen – die Gäste diskutierten aber beim anschließenden Mittagessen noch weiter …

Der Song von Peter Fox „Zukunft Pink“ leitete zum Abschluss der Veranstaltung über. Die ca. 350 Schülerinnen und Schüler in der Aula wurden aufgefordert aufzustehen, wenn sie ihre Zukunft – wie in dem Song – eher rosig oder eher schwarz sehen. Eine eindeutige Mehrheit entschied sich für Pink. Vielleicht trifft Peter Fox ja zumindest das Lebensgefühl dieser Gruppe innerhalb der Gen Z: „Weil wir die Zukunft sind, seh’n wir die Zukunft pink.“

Text: Monika Hellebrandt
Fotos: Ewald Hülk


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