Ein Seminar im Kinder- und Jugendhospiz

Trauerarbeit an einem besonderen Ort:
Die HEP/B zu Gast im Kinder- und Jugendhospiz Regenbogenland

Im Rahmen unserer Blockwoche des Berufspraktikums besuchten wir das Kinder- und Jugendhospiz Regenbogenland in Düsseldorf. Aber was genau ist eigentlich ein Kinder- und Jugendhospiz? Das Regenbogenland ist eine Einrichtung für Kinder und Jugendliche, die aufgrund einer unheilbaren Erkrankung nur eine eingeschränkte Lebenserwartung haben. Hier finden die Familien einen Ort für Ruhe und Unterstützung. Ziel der Einrichtung ist es, den Familien zu helfen, die ihnen noch verbleibende Zeit mit ihrem Kind möglichst positiv und erfüllt zu gestalten. Das Regenbogenland soll zu einem zweiten Zuhause für die betroffenen Kinder und Jugendlichen werden, welches sie gerne besuchen. Hierfür ist eine familiäre und beschützte Atmosphäre geschaffen worden.

Unsere Referentin Frau Vanessa Mertens, staatlich geprüfte Heilerziehungspflegerin und Sozialpädagogin/Sozialarbeiterin (BA), gehört dem Familien- und Trauerbegleitungsteam im Hospiz Regenbogenland an und ist insbesondere für die Begleitung von Geschwistern der betroffenen Kinder und für die so genannte Trauerarbeit mit ihnen verantwortlich. Sie gestaltete unseren Besuch im Regenbogenland und führte uns zu Beginn durch die Einrichtung. In einer offenen Runde erklärte sie uns, dass ihre Arbeit für sie nicht belastend sei, wie immer alle denken, sondern vielmehr sehr erfüllend, da sie versucht, den Kindern und Jugendlichen im Angesicht der absehbaren Lebensbegrenzung eine schöne Zeit zu ermöglichen und ganz viel dafür zurückbekommt.

Das Haus bietet insgesamt zehn Plätze für Betroffene. Fünf Plätze für Kinder und fünf Plätze für Jugendliche. Direkt nach der Diagnose einer lebensverkürzenden Erkrankung können die betroffenen Kinder und Jugendlichen in das Hospiz kommen und ein Zimmer beziehen. Auch für ihre Eltern gibt es Appartements in der Einrichtung. Frau Mertens führte uns durch das Hospiz und zeigte uns einige Räume. Darunter war zum Beispiel ein Kreativraum zum Malen und Basteln, ein Turnraum, ein Partyraum, ein Snoezelraum und der Abschiedsraum.
Das Kinder- und Jugendhospiz Regenbogenland bietet eine 24-Stunden-Betreuung für das erkrankte Kind an und bis zu sechs Stunden Geschwisterbegleitung. Außerdem gibt es unter anderem Elternangebote, unterschiedliche Therapien, wie z.B. Musiktherapie, Familiennachmittage, Kindertrauergruppen und Großelterntreffen. Im Kinder- und Jugendhospiz Regenbogenland gibt es jährlich ungefähr 12 Todesfälle.

Wenn ein Kind oder Jugendlicher verstorben ist, kann es bis zu einer Woche im Hospiz bleiben. Auch in dieser Phase werden, ebenso wie in der letzten Lebenszeit des Kindes, die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen und ihrer Familien in den Vordergrund gestellt. So gibt es zum Beispiel auch die Möglichkeit für rituelle Waschungen, die von muslimischen Angehören gewünscht werden.

Spätestens nach dieser Frist wird das verstorbene Kind in einen Sarg umgebettet. Dies übernehmen häufig die Eltern selbst, da es ihnen gerade auch dabei hilft, die Endgültigkeit greifbar zu machen. Durch das Angebot, den Sarg zu bemalen, haben die Angehörigen dann nochmal die Möglichkeit, etwas für das verstorbene Kind zu tun. Frau Mertens erzählte uns, dass die Familien auch nach dem Tod auf unbegrenzte Zeit begleitet werden können.

Im weiteren Verlauf klärte uns Frau Mertens dann über das spezielle Thema Kindertrauer auf. So lernten wir, dass Kinder im Alter bis drei Jahren den Tod als Abwesenheit für eine bestimmte Zeit verstehen. Die Unabänderlichkeit des Todes ist für sie nicht greifbar, dennoch kennen sie das Verlustgefühl. Kinder bis sechs Jahre hingegen beginnen Äußerungen über den Tod zu machen und identifizieren den Tod als Abwesenheit. Die Angst vor dem Tod ist gering bis gar nicht vorhanden. Für Kinder von sechs bis zwölf Jahren wird der Tod immer greifbarer, jedoch nicht komplett begriffen. Sie verstehen, dass jeder sterben muss und begreifen die Endgültigkeit des Todes. Bei Jugendlichen von 12 bis 18 Jahren nähert sich die Todesvorstellung und das Trauerverhalten der eines Erwachsenen an und der Sinn des Sterbens wird hinterfragt.

Das Wichtigste, gerade auch für angehenden Heilerziehungspfleger: Jeder Mensch trauert auf seine eigene Weise und somit nimmt die Trauer eine individuell spezifische Zeit ein, was man als Professioneller unbedingt beachten und bei der Planung von Maßnahmen bedenken muss.

In Bezug auf Kindertrauer gibt es fünf grobe Kategorien, in welche ein Kind auf Grund seines Verhaltens zugeordnet werden kann. Dazu gehört: das „weinende Kind“, das „abwehrende widerspenstige Kind“, das „still trauernde Kind“, das „Kind, das aggressive Kräfte der Trauer auslebt“ und das „alberne Kind“. Wichtig für das Verarbeiten des Verlustes sind Bezugspersonen.

Danach erzählte uns Frau Mertens, welche Rituale sie im Rahmen der Trauerarbeit im Kinder- und Jugendhospiz haben. Dazu gehört unter anderem der Fuß- oder Handabdruck des verstorbenen Kindes, das Luftballon steigen lassen, ein Erinnerungsbuch, die Sargbemalung und Kerzen im Eingangsbereich. Diese werden angezündet, wenn ein Kind verstorben ist. Das Atrium des Hauses dient zusätzlich als Gedenkstätte. Für jedes verstorbene Kind wird ein Stein bemalt und gestaltet. Dieser wird dann im Atrium niedergelegt. Mit Blick auf unsere künftige Arbeit als Heilerziehungspfleger überlegten wir dann gemeinsam, welche Maßnahmen der Erinnerungskultur davon und darüber hinaus auch in anderen Einrichtungen der Behindertenhilfe, wie zum Beispiel in einer Werkstatt oder einem Wohnheim, denkbar sind.

Am Ende fragten wir Frau Mertens, ob die erkrankten Kinder und Jugendlichen häufig noch eine Art „Lebenstraum“ haben und inwieweit dieser erfüllt werden kann. Dazu nannte sie einige Beispiele, die uns sehr berührt haben. Unter anderem wurde ein erkrankter Junge mal liegend zu einem Fußballspiel seiner Lieblingsmannschaft transportiert. Für ein anderes Kind, welches ein großer Fan von den „Wilden Kerlen“ war, kam der Hauptdarsteller Jimi Blue Ochsenknecht ins Kinderhospiz. Gerade für die Erfüllung solcher Wünsche sind Spenden dringend nötig.

Die Arbeit des Kinder- und Jugendhospizes ist wichtig und bedeutend, denn sie helfen nicht nur bei der Verarbeitung des Verlustes und der Trauer, sondern ermöglichen Freude und Fröhlichkeit in das Leben zu bringen. So sagt es auch der Spruch von Cicely Saunders, der an der Wand des Regenbogenlandes geschrieben steht: „Nicht den Leben mehr Tage, sondern den Tagen mehr Leben geben“.

Ein herzliches Dankeschön an Frau Mertens, für diesen intensiven Einblick in ihre bewegende Arbeit und für all die wertvollen Informationen, die wir für unsere künftige Arbeit in der Begleitung von Sterbenden und Verstorbenen und deren Angehörigen erhalten haben!

Text: Christin Wagener (HEP/B)
Fotos: Penelope Sachs (HEP/B)


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