Kinaesthetics – Die Kunst/Wissenschaft der Bewegungswahrnehmung

Erstmals gab es die Gelegenheit zu einem 3tägigen Zertifikatskurs Kinaesthetics für Berufspraktikant/innen der Fachschule für Heilerziehungspflege.

Als Herr Vermöhlen, ehemaliger Schüler unserer Schule und heutiger Kinästhetiktrainer, die Studierenden der HEPU im Jahr 2014 mit einem 90-minütigen Schnupperkurs in die „Kunst/Wissenschaft der Bewegungswahrnehmung“ (= Kinästhetik) einführte, waren sich am Ende der Veranstaltung alle darin einig, dass man als Heilerziehungspfleger/in bestenfalls noch vielmehr darüber wissen und anwenden können sollte.

Diesem Wunsch konnte nun in der HEPB entsprochen werden. Unter Leitung von Herrn Vermöhlen erwarben die Berufspraktikant/innen in einem dreitägigen Grundkurs vertiefende Kenntnisse und Kompetenzen und obendrein das begehrte und in den Pflegeberufen angesehene Zertifikat Grundkurs Kinaesthetics.

Zu den zentralen Inhalten des Seminars gehörte die Auseinandersetzung mit der Entwicklung der differenzierten und bewussten Wahrnehmung der eigenen Bewegung, der Entwicklung der eigenen Bewegungskompetenz, d.h. eines gesunden und flexiblen Einsatzes der
eigenen Bewegung insbesondere in heilerziehungspflegerischen Aktivitäten, und die Fähigkeit, die eigene Bewegung im Kontakt mit anderen Menschen so einzusetzen, dass diese in ihrer eigenen Bewegungskompetenz bzw. in ihrer Selbstwirksamkeit gezielt unterstützt werden.

Wie die Teilnehmer/innen erfuhren, zeigt sich die Wirkung von Kinaesthetics stets in einem doppelten Sinn: Sowohl die zu Pflegenden als auch die Pflegenden selbst profitieren von einer größeren Bewegungskompetenz. Gestaltet man nämlich Pflegeinterventionen als Interaktionen auf der Grundlage von Kinaesthetics, führt dies nicht nur zu erstaunlichen Fortschritten bei den pflegebedürftigen Menschen, so Herr Vermöhlen, sondern fördert auch die Gesundheit der pflegenden Personen. Denn: Nicht (mehr) die Muskelkraft ist hier entscheidend, sondern die Bewegung unter Berücksichtigung der kinästhetischen Prinzipien.
Mit eben jenen Prinzipien und mit den Grundlagen zur Anatomie und Physiologie des Bewegungsapparates beschäftigten sich die Teilnehmer/innen im ersten größeren Block dieses Kurses. Zum Verständnis der Prinzipien knüpften die Teilnehmer/innen an Vorwissen an bzw. bauten dieses speziell zur Funktionsweise der Sinne (kinästhetisches Sinnessystem), zu den Bewegungselementen und zu Interaktionsformen aus. Darüber hinaus wurde der Aufbau und die Funktionsweise von Knochen und Muskeln ebenso wiederholt wie neues Wissen zu Massen und Zwischenräumen sowie Haltungs- und Transportbewegungsebenen erworben.

Die Durchführung von Bewegungen unter Einbezug kinästhetischer Prinzipien erklärte Herr Vermöhlen eindrucksvoll anhand vieler praktischer Übungen aus dem heilerziehungspflegerischen Berufsalltag. Zu nennen sind hier zum Beispiel die Mobilisation vom Bett an die Bettkante, von der Bettkante in den Rollstuhl und das so genannte Lagern im Bett. Jede Bewegung und jeder Transfer wird dabei so gestaltet, dass der Klient die Selbstkontrolle über das Geschehen hat. Das bedeutet, dass die gemachte Bewegungserfahrung nachvollzogen und der eigene Körper als wirksam erfahren werden kann. Die Bewegung der Klienten wird schonend unterstützt und die Motivation des Klienten durch die Kommunikation über Berührung und Bewegung deutlich verbessert.

Laut Teilnehmerin Jessica van Dongen wird neben den am eigenen Leibe gemachten Erfahrungen wohl auch das Schlusswort des Referenten nachhaltig in Erinnerung bleiben und in der Berufspraxis seine Früchte tragen: „Heben und Tragen, wie früher in der Pflege so verbreitet, darf es sowohl zum Wohle Ihrer Klienten als auch zu Ihrem eigenen Wohle in Zeiten von Kinästhetik nicht mehr geben.“ (Herr Vermöhlen)

Text und Fotos: Andreas Mäteling


Hinterlasse einen Kommentar