Behindertsein in Palästina

Unser ehemaliger Kollege Johannes Roelofsen engagiert sich unermüdlich für Menschen mit Beeinträchtigung in Palästina. Im Oktober war er Gast bei den Heilerziehungspflegern.

Am 29.10.2015 besuchte Herr Johannes Roelofsen, der Gründer der Initiative Integratives Leben (INI) e.V., die HEP/U und HEP/B. Er gab uns vor dem Hintergrund seiner zahlreichen Besuche in Palästina einen umfassenden Einblick in das Thema „Behindertsein in Palästina“ und stellte Projekte der Deutschen Behinderten Not-Hilfe e.V. vor, die er vor 25 Jahren gründete.

So erfuhren wir, dass viele der Menschen in Palästina in sehr ärmlichen Verhältnissen leben. Besonders die Menschen mit Behinderungen haben unter der schlechten wirtschaftlichen Situation zu leiden. Gerade für sie ist es beinahe unmöglich, angenehme Lebensbedingungen zu schaffen, da das Geld fehlt und die Unterstützung in der Gesellschaft. Oftmals werden sie von ihren eigenen Familienmitgliedern verstoßen, da man sie als eine Last ansieht. Das ist ein weiterer Grund, warum dort die Lebensbedingungen der Menschen mit Behinderungen sehr schlecht sind. Es fehlen die nötigen Hilfsmittel und die medizinische Versorgung, doch der Staat Palästina zahlt nicht.

Herr Roelofsen vertraut auf die Hilfe und Unterstützung ausländischer Hilfsorganisationen wie der Deutsche Behinderten Not-Hilfe, da diese regelmäßig helfen. Der Staat Palästina sieht nicht ein, selbst tätig zu werden und finanziell oder anderweitig zu helfen, wenngleich natürlich nicht verschwiegen werden sollte, dass es oftmals auch schlichtweg am mangelnden Geld liegt. Das gilt auch für viele der Einwohner. Selbst Apotheken und Krankenhäuser lehnen die Ausgabe von Medikamenten für Menschen mit Behinderungen ab, besonders wenn es um behinderte Frauen geht. Doch gerade Medikamente werden häufig dringend benötigt. Auch bei Bauarbeiten kommt es nicht selten vor, dass Fehler passieren und die Räume mit beispielsweise zu schmalen Türen ausgestattet werden. So haben Rollstuhlfahrer keine Chance sie zu benutzen. Doch für diese Aufgaben fühlt sich häufig keiner verantwortlich.

Eine Besonderheit stellt auch die Ungleichbehandlung der Geschlechter dar, die auch mit Konsequenzen für die Behindertenhilfe verbunden ist. So gilt in Palästina. dass der Mann als höherwertig angesehen wird als die Frau. Eine Frau ist nur dann etwas wert, wenn sie mit einem Mann verheiratet ist. Ihr wird dadurch ein besserer Status zugeschrieben.

Ein weiteres großes Problem ist die Familienplanung in Palästina. In sehr vielen Familien kommt es zu einer Verwandtenheirat und damit zur Inzucht untereinander. Verhütungsmittel sind „verboten“ und die Männer sehen meist nicht ein sich zu enthalten. Hierin ist eine der Ursachen zu sehen, weshalb viele Menschen mit Behinderungen geboren werden. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit staatlicherseits Einfluss genommen werden könnte. Viele der Kinder, die mit Behinderungen zur Welt kommen, werden in Kinderheimen untergebracht. Dort gibt es leider wenig Beschäftigung und kaum Ansprechpersonen. Insgesamt ist zu sagen, dass Menschen mit Behinderungen in ihrem Umfeld in Palästina oft ausgeschlossen und stark benachteiligt werden.

Doch wie kann man den Menschen mit Behinderungen helfen?

Herr Roelofsen macht sich genau dafür stark. In Palästina werden von der Deutschen Behinderten Not-Hilfe und der INI e.V. eine Werkstatt für Menschen mit Behinderungen angeboten, in denen sich die Teilnehmer/innen vor allem kreativ betätigen. Dabei werden sie von den Assistentinnen und Assistenten fachlich kompetent begleitet und unterstützt.

Finanziert wird der Workshop durch Spenden. Gleichzeitig werden die vielfältigen Arbeiten aus Filz weltweit verkauft, damit vom Gewinn die Ausgaben für die Werkstatt und die Utensilien gekauft werden können. Den Menschen mit Behinderungen wird so eine ganz neue Seite im Leben gezeigt. Viele von ihnen erfahren in diesen Workshops auch zum ersten Mal das Gefühl von Zusammenhalt und Gemeinschaft. Niemand wird mehr ausgeschlossen oder benachteiligt. Im Gegenzug dazu wird ganz individuell auf die vorhanden Ressourcen und Defizite geachtet und unter deren Berücksichtigung zielgerichtete Förderung ermöglicht. Innerhalb dieser Gruppen entsteht eine ganz eigene und förderliche Kultur. Die Menschen mit Behinderungen gewinnen durch die Hilfe der ausländischen Unterstützer neues Selbstvertrauen und blicken in eine glücklichere Zukunft.

Informationen hierzu findet man unter der Internetadresse: www.maanlilhayat.ps. Wer sich näher dafür interessiert oder auch spenden möchte, der kann sich per E-Mail an Herrn Ro-elofsen wenden (johannes.roelofsen@online.de) oder sich bei uns in der HEP/U erkundigen. Wir stellen gerne einen Kontakt her!

Uns angehenden Heilerziehungspfleger/innen hat der Vortrag einmal mehr gezeigt, dass die Behindertenhilfe, wie wir sie bei uns in Deutschland kennen, längst nicht weltweiter Standard ist.
Die Berichte lassen uns nicht los, weshalb wir zukünftig in der einen oder anderen Form auf jeden Fall in Kontakt bleiben wollen. Wie wir erfuhren, ist ein Studierender der letzten Jahre gerade noch für einige Monate in Palästina gewesen, um dort in einem Projekt mitzuarbeiten. Mal sehen, ob eine/r von uns es ihm nachmachen wird. Auszuschließen ist das nach dem sehr interessanten und aufrüttelnden Vortrag keinesfalls.

Text: Hannah Jacobs & Jasmin Schmitz (HEP/U)
Foto: Franziska Kirchhoff


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