„Um frei zu sein braucht es Menschenwürde und Respekt“

Mandelas Wegbegleiter Denis Goldberg las in der Gelderner Liebfrauenschule aus seiner Autobiografie

GELDERN. Die Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika ist für Denis Goldberg „eine wunderbare Chance, der ganzen Welt zu zeigen, was wir machen können. Und wir machen es verdammt gut!“, sagt der 77-Jährige lachend. Denis Goldberg lebt in Kapstadt, doch die Spiele der südafrikanischen Nationalmannschaft kann er zurzeit nur im Fernsehen verfolgen. Denn er ist auf Lesereise durch ganz Europa. Auch an der Gelderner Liebfrauenschule machte er jetzt Station und las aus seiner Autobiografie „Der Auftrag – Ein Leben für die Freiheit in Südafrika“. Denis Goldberg saß für seine Ideale 22 Jahre lang im Gefängnis. Als politischer Aktivist war er seit den 1950er Jahren im Widerstand gegen das Apartheids-Regime ein Weggefährte Nelson Mandelas.

Der berühmte Freiheitskämpfer sieht aus, als käme er geradewegs aus einem Schrebergarten in die Aula der LFS. Zu seinem verschmitzten Lächeln trägt er ein sommerliches blaues Polohemd und Hosenträger mit kleinen Segelschiffen halten die Jeans um seinen mächtigen Bauch. In seiner Geburtsstadt Kapstadt lebe Denis Goldberg mittlerweile im „Unruhestand“, erzählt der gelernte Bauingenieur. Denn seine Arbeit als Bürgerrechtler hat er noch längst nicht an den Nagel gehängt. Heute ist er Ehrenpräsident des Vereins H.E.A.R.T., der als internationale Hilfsorganisation Projekte zur Selbsthilfe im südlichen Afrika unterstützt, und ein Veteran der Anti-Apartheids-Bewegung African National Congress ANC). Und immer noch kämpft Denis Goldberg gegen den Rassismus. „Denn er raubt den Menschen ihre Würde. Um frei zu sein braucht es Menschenwürde und Respekt“, betont er. Auch 25 Jahre nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis in Pretoria und 16 Jahre nach den ersten freien Wahlen in Südafrika engagiert sich Goldberg noch immer für sein Land und hier vor allem für benachteiligte Kinder.„Wir müssen dafür kämpfen, dass Kinder ernährt und medizinisch betreut werden.
Darum geht es in meinem Buch“, sagt er.

Seinen jungen Zuhörern, die sich im Englisch-Unterricht auf das Thema Südafrika vorbereitet haben, versicherte Goldberg: „Ich bin nicht verbittert.“. Doch seine Lebensgeschichte und seine Erinnerungen an die Zeit im Untergrund hätten auch ein anderes Resümee haben können. Goldberg wurde 1961 Techniker in dem von Nelson Mandela geleiteten bewaffneten Flügel des ANC und 1963 als Mitglied des Oberkommandos verhaftet. Goldberg und seine Mitangeklagten, unter ihnen Mandela, haben „dem Tod ins Auge gesehen“, als sie 1964 im Rivonia-Prozess vor Gericht standen und ihnen wegen Sabotage und Planung eines bewaffneten Kampfes die Todesstrafe drohte. Aufgrund der weltweiten Proteste lautete das Urteil dann „lebenslänglich“ und Denis Goldberg rief seiner Mutter im Gerichtssaal zu: „Leben! Zu leben ist wundervoll!“

Der Bürgerrechtler ist vom Nutzen der WM für sein Land überzeugt: In Folge der Wirtschaftskrise sei der Stadienbau für die FIFA für sein Land sehr wichtig gewesen – sowohl die Infrastruktur als auch der Arbeitsmarkt hätten davon profitiert. Eine gewisse Nachhaltigkeit könne er in den Projekten rund um den Fußball auch erkennen.„Aber es gibt noch vieles, das wir machen müssen. Und es geht weiter“, sagt Goldberg. Kritikern hält er entgegen: „Wir sind seit 16 Jahren frei und die Welt erwartet, dass es keine Armut mehr bei uns gibt. Aber das braucht seine Zeit. In Deutschland und Europa hat es auch Jahrhunderte gedauert. Und auch wir werden mit der Zeit unsere Probleme überwinden.“ Vor allem die ungleiche Eigentumsverteilung und die Kluft zwischen Arm und Reich wolle er bekämpfen. „Denn wir sind nicht frei, solange wir die Armut in unserem Land nicht beseitigt haben.“ Aber auch für die vielen verschiedenen kulturellen Gruppen in seinem Land – es werden allein elf Sprachen in Südafrika gesprochen – sei die WM wichtig. „Wenn wir eine Nation aufbauen wollen, ist es schon hilfreich, wenn wir alle hinter unserer Mannschaft stehen“, sagt Goldberg und gibt sich optimistisch:„Südafrika wird Weltmeister!“ nm

(Nina Meyer für die Niederrhein-Nachrichten am 16. Juni 2010).


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