Unser Auftrag: Befähigen zum NEIN-Sagen! Zertifikatsschulung zur Prävention sexualisierter Gewalt

„Augen auf! Hinsehen und Schützen“. Dieses Motto begleitete uns, die Berufspraktikant/innen der FSP und HEP, am Freitag unserer dritten Blockwoche (15.02.). Andreas Kohlschreiber, Schulungsreferent des Bistums Münster für Präventionsschulungen und Pflegedirektor des mit unserer Schule kooperierenden St.-Clemens-Hospitals Geldern, klärte uns mit einem engagierten Vortrag über die Prävention von (sexualisierter) Gewalt gegenüber Kinder, Jugendliche und erwachsene Schutzbefohlene auf. Auch einzelne ehemalige Studierende nahmen diese Gelegenheit wahr und konnten an diesem Tag ebenfalls das Zertifikat der Präventionsschulung erwerben, welches auch Voraussetzung für einige ehrenamtliche Tätigkeiten ist.

Herr Kohlschreiber startete diese Schulung mit einer kleinen Vorstellungsrunde, in der ebenfalls Erwartungen und Befürchtungen miteinander ausgetauscht und mit der Planung dieses Tages abgeglichen wurden. Auch klärten wir die Wichtigkeit einer solchen Schulung für uns und alle, die mit Kindern, Jugendlichen oder erwachsenen Schutzbefohlenen arbeiten. Die Prävention von sexueller Gewalt ist ein aktuelles Thema, bei dem besonders Wissen Sicherheit schafft.

Nach einer kleine Gruppenarbeit über Erfahrungen, die wir und die unsere Eltern mit dem Thema Aufklärung gemacht haben, kamen wir zu den Grundbedürfnissen von Kindern und Schutzbefohlenen nach Brazelton T.B. und Greenspan S., die benötigt werden, um sich altersgerecht entwickeln zu können. Bei Kindern, deren Grundbedürfnisse nicht erfüllt sind, ist die Gefahr größer, dass sie in irgendeiner Weise zum Opfer werden, indem sie die benötigte Bestätigung von den Tätern erhalten. — Täter: „ICH finde dich gut, so wie du bist!“ –

Besonders schockiert waren wir, als Herr Kohlschreiber einige Daten von Fällen der Kindeswohlgefährdung für uns parat hatte. Im Jahre 2014 wurden beispielsweise in Baden-Württemberg 1461 akute Fälle an das Jugendamt übermittelt, in denen sofort reagiert wurde. Mit so einer hohen Zahl hätten wir nicht gerechnet.

Als nächstes haben wir einzelne Vertrauensübungen in Partnerarbeit gemacht. Wir haben uns gegenüber aufgestellt. Einer hat die Hand wie zur Begrüßung ausgestreckt, der andere kam bedrohlich auf uns zu und stülpte ohne Ankündigung eine Socke über die ausgestreckte Hand. In der abschließenden Auswertung ist rausgekommen, dass sich die Personen, die nicht wussten, was passiert, sich eher unwohl oder sogar bedroht gefühlt haben. Diese Übung hat uns dafür sensibilisiert, dass Berührungen immer angekündigt werden sollten, um dem anderen Sicherheit zu vermitteln und nichts geschieht, was der andere nicht möchte.

In Gruppenarbeit haben wir anschließend alle einen Umriss des Menschen bekommen, in den wir typische Verletzungen bei Kindern einzeichnen sollten. Ziel dieser Übung war es, für untypische Verletzungen bei den Schutzbefohlenen sensibilisiert zu werden. Wann muss ich bei so einer Verletzung hinterfragen? Kann die Verletzung so entstanden sein? Passt die Geschichte zu der Verletzung?

Weiter ging es mit einigen Informationen. Wir haben drei Abstufungen (Grenzverletzung, sexueller Übergriff, sexueller Missbrauch) der sexualisierten Gewalt kennengelernt. Besonders interessant war die Statistik, die sagt, dass mit 90% der Großteil der Täter männlich ist, nur 10% weiblich, aber dass das Geschlecht bei den Opfern eine weniger große Rolle spielt (60% weiblich, 40% männlich). Auch kommen die meisten Täter aus dem sozialen Nahraum des Opfers und planen ihre Tat über einen längeren Zeitraum. Die Betroffenen sind in der Regel dann nicht in der Lage sich ohne Unterstützung von außen wieder von dem Missbrauch zu befreien und für ihren Schutz selbst einzutreten. Um Kinder, Jugendliche und auch erwachsene Schutzbefohlene wirksam vor sexualisierter Gewalt zu schützen, ist ein Jeder gefragt. Jeder Einzelne kann aktiv werden durch aufmerksames Hinschauen und persönliches grenzachtendes Verhalten.

Die nächste Vertrauensübung fand an der frischen Luft statt und hat uns ebenfalls zum Nachdenken angeregt. Jeder stellte sich seinem Partner in einiger Entfernung gegenüber auf. Nun sollte der eine Partner auf den anderen zugehen und von diesem verbal, aber auch mit Gestik und Mimik, gestoppt werden. Wir konnten entscheiden wie weit der andere auf uns zugehen darf, wo unsere persönliche Komfortzone liegt. Unser Auftrag für die Praxis ist es, dass wir auch unsere Schutzbefohlenen dazu befähigen, NEIN sagen zu können.

Zum Schluss haben wir noch einen Handlungsleitfaden ausgeteilt bekommen, den wir bestimmt auch in Zukunft, sollten wir in eine Situation kommen, in der wir einen Übergriff vermuten oder gar selbst beobachten, zu Rate ziehen werden.

Wir durften einen spannenden, intensiven Tag erleben, der uns als angehende HEP und FSP wirklich für diese Thematik sensibilisiert hat. Wir haben viele Informationen und Anreize für den Einsatz von Materialien bekommen, die wir in unserer Praxis einsetzen können, um auch die Kinder und Schutzbefohlene zum Nein-Sagen zu befähigen und so präventiv vor sexueller Gewalt zu schützen. Insgesamt war der Vortrag mit vielen Fallbeispielen versehen, die das eben Vorgetragene veranschaulicht haben und die uns als Zuhörer in einigen Situationen echt betroffen gemacht haben und uns zeitweise auch sprachlos zurückließen.

Wir danken Herrn Kohlschreiber für seine Zeit, diesen überaus spannenden Vortrag und der Sensibilisierung für dieses zentrale Thema!

Text: Alexandra Müller (HEP/B)
Fotos: Andreas Mäteling


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