Chorea Huntington: Einblicke in den Alltag aus Sicht eines Betroffenen

Vom Leben mit der Seltenen Erkrankung Chorea Huntington:
Sehr persönliche und unvergessliche Einblicke in den Alltag aus Sicht eines Betroffenen und seiner Ehefrau für Schüler/innen im GW-Kurs der AH12

In den vergangenen Wochen beschäftigten wir uns innerhalb des Differenzierungskurses Gesundheitswissenschaften der AH12 mit dem Thema Seltene Erkrankungen. Eigentlich wollten wir erstmal nur selber mehr dazu wissen, doch entstand schon bei der anfänglichen Beschäftigung mit dem sehr speziellen Thema der Wunsch, dem Thema auch außerhalb unserer Klasse zu mehr Öffentlichkeit zu verhelfen. Wie wir nämlich erfahren haben, sind die Menschen mit diesen Krankheiten besonders darauf angewiesen, dass ihre Krankheiten bekannter werden, damit zum Beispiel auch mehr Forschungsgelder bereitgestellt werden.

Wir drei hatten dabei die Aufgabe, unserem Kurs im Rahmen einer Präsentation die Chorea-Huntington-Krankheit näher zu bringen. Schnell stießen wir bei unseren ersten Recherchen auf eine Selbsthilfegruppe in Duisburg und kamen auf die Idee, dort mal anzufragen, ob nicht vielleicht Betroffene zu uns in den Unterricht kommen könnten, um uns und dem ganzen Kurs aus eigenem Erleben mit der Krankheit zu berichten. Gleich bei unserem Anruf bekamen wir eine positive Rückmeldung.

Am 28. November war es dann schließlich soweit. Erstmal informierten wir unsere Mitschüler/innen über die wichtigsten Fakten zu der Erkrankung Chorea Huntington, die hier nur in aller Kürze wiedergeben werden. Der Name Chorea (griech. choreia = Tanz) wird abgeleitet von den typischen, unregelmäßig auftretenden und nicht vorhersehbaren Bewegungen (Ataxien), insbesondere der unteren Extremitäten. Gemeinsam mit einem unsicheren Gang und einem Grimassieren auftretend, können diese Symptome sehr entfernt an einen Tanz erinnern.

Darüber hinaus erwähnten wir, dass die Huntington-Krankheit eine sehr seltene, vererbbare Erkrankung des Gehirns ist, die zudem fortschreitend verläuft und zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr ausbricht. In seltenen Fällen kann sie auch in der frühen Kindheit oder im höheren Alter auftreten.

Viele Patienten leiden unter neurologischen Störungen, beispielsweise – wie schon oben erwähnt – unter Bewegungsstörungen oder psychischen Veränderungen wie Verhaltensstörungen. Auch das Sprechen fällt Betroffenen häufig schwer. Im fortgeschrittenen Stadium kommt ein Rückgang der intellektuellen Fähigkeiten hinzu. Ursache für die Entstehung ist eine Genmutation.

Der Höhepunkt unserer Doppelstunde war dann aber, dass wir Frau und Herrn I. begrüßen durften, die Mitglieder in der Selbsthilfegruppe sind und sich ohne zu zögern zum Gespräch mit uns, der Klasse und unserem GW-Lehrer Herrn Mäteling bereiterklärt hatten. Wie wir erfuhren, ist es nämlich ihr größtes Interesse, dazu beizutragen, dass die Krankheit mehr Aufmerksamkeit erfährt.
Direkt zu Beginn erlebten wir das Ehepaar als sehr aufgeschlossen und freundlich. Im Stuhlkreis sitzend berichtete uns der 72-jährige Betroffene Herr I. sehr ausführlich von seinem Leben mit der Erkrankung Chorea Huntington, die bei ihm vor sieben Jahren diagnostiziert wurde und somit zu einem verhältnismäßig späten Zeitpunkt im Leben.

Herr I.´s Mutter, so sagte er, hatte vor ihrem Tod ähnliche Symptome, weshalb man nachträglich davon ausgeht, dass sie ebenfalls unter der Chorea- Huntington-Krankheit litt. Zuvor war dem Ehepaar die Krankheit noch nicht bekannt, woraufhin sie sich ausführlich über die Krankheit informierten, um zu erfahren, was vermutlich auf sie zukommen wird. Die anfängliche, im Alltag sehr ausgeprägte Nervosität und Unruhe von Herrn I., die schließlich zu ersten Untersuchungen führte, bereitete dem Ehepaar große Sorgen.

Da ihnen nach intensiven Gesprächen mit Ärzten bewusst war, dass die Krankheit weiter voranschreiten und zu entsprechenden Ausfällen (vor allem auch hinsichtlich der Bewegung) führen wird, begannen sie das Haus umzubauen. Beispielsweise verlegten sie das Schlafzimmer sowie das Badezimmer in das Erdgeschoss, damit diese auch für Herrn I. zugänglich blieben. Auch einen speziellen Sessel, der im Alltag eine unterstützende Funktion bietet, schafften sie sich an, sodass er sich dort regelmäßig ausruhen kann. Außerdem berichtete Herr I., dass er aufgrund der Schluckbeschwerden oft Joghurt isst und ihm dieser sehr gut schmeckt.

Da er sehr offen mit der Krankheit umgeht, hat auch sein Umfeld sehr positiv und mitfühlend reagiert, worüber Herr und Frau I. sehr glücklich sind. Die gemeinsamen Treffen mit Verwandten, Freunden und Nachbarn, beispielsweise Geburtstage, werden auf seine Bedürfnisse angepasst.

Ebenfalls berichtete uns seine Ehefrau, wie sie mit der Krankheit umgeht. Mittlerweile hat sich eine gute Routine gefunden, womit der Alltag gut gemeistert werden kann. Es haben sich sogar zwei Tage in der Woche gefunden, an denen Frau I. sich Zeit für sich selbst nehmen kann.

Als sehr hilfreich wurde auch der Austausch in der Selbsthilfegruppe beschrieben, wo man sich gegenseitig Tipps für die Alltagsgestaltung gibt, sich rechtlich beraten lassen kann (z. B. bezüglich der Übernahme von Kosten bei nötigen Umbaumaßnahmen) oder auch Kontakte zu Fachärzten und medizinischen Zentren knüpft, wie im Fall der Krankheit Chorea Huntington zur Uniklinik in Bochum.

Auf Fragen des Kurses gingen Herr und Frau I. gerne und ausführlich ein, was uns einen sehr persönlichen Einblick in ihr durch die Krankheit verändertes Leben und dem Umgang mit einer seltenen Erkrankung ermöglichte.

Während des gesamten Gespräches herrschte eine sehr konzentrierte und insgesamt tolle Atmosphäre. Uns allen wird dieser Unterrichtsbesuch für immer in Erinnerung bleiben, da es für uns etwas ganz Besonderes war, so hautnah zu erleben, wie eine derartige Erkrankung zunächst einmal das Leben auf den Kopf stellt, aber zugleich auch zu erleben, wie anpackend Betroffene damit umgehen und keineswegs die Freude am Leben verlieren. Eine in mehrfacher Hinsicht lehrreiche Doppelstunde.

Am Ende bedankten wir uns im Namen des Kurses sehr herzlich bei Herrn und Frau I. und wünschten ihnen für ihre Zukunft alles Gute.

Text: Sophia Rütten, Annabell Seeger und Sophia Maes (AH12S)
Fotos: Andreas Mäteling


Kommentare

  1. Richard Hegewald sagt:

    Als Vorsitzender der Huntington-Selbsthilfe NRW danke ich noch einmal herzlich für das Interesse an der Huntington-Krankheit und die wirklich außergewöhnlich gute Ausarbeitung des Themas durch Ihre Arbeitsgruppe. Herr und FRau I. haben sich bei Ihnen sehr wohlgefühlt.

    Wir von der Huntington-Selbsthilfe freuen uns sehr, wenn diese seltene Krankheit bekannter gemacht wird und dadurch die Akzeptanz der Kranken in der Öffentlichkeit gefördert wird.

    Mit herzlichen Grüßen
    Richard Hegewald

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