Bildungspolitik mal ganz konkret

Das ewige „Wer mit wem nach der Bundestagswahl“, das seit Monaten durch die Medien geistert, wurde hier mit keinem Satz gewürdigt. Es ging um Inhalte, den Kreis Kleve und vor allem um die Zukunftsängste der Schüler und Schülerinnen der Liebfrauenschule, Berufskolleg des Bistums Münster. Die ganz großen Themen hatte sich das Vorbereitungsteam rund um die beiden Moderatorinnen Maria Dziobek und Katrin Terkatz aus der AH 13 S1 zur 11. Podiumsdiskussion „Wer die Wahl hat…“ ausgesucht: Staatsverschuldung, Arbeitsplätze, Wahlversprechen, Abwrackprämie und Bildungspolitik. Und wieder einmal waren Teilnehmer da, die sich sehen lassen konnten. Die Spitzenpolitiker des Kreises Kleve waren der Einladung gefolgt und diskutierten am Freitagmorgen meistens kontrovers, manchmal überraschend einig und ab und zu auch mal abseits der Parteilinie.

Zuerst mussten sich jedoch die Politiker im Straßenwahlkampf behaupten. So erfuhr man, dass sich Dr. Barbara Hendricks (SPD) gegen den Lehrerberuf entschieden hat, der Bundestagsabgeordnete, Unternehmer und Landwirt Paul Friedhoff (FDP) „gut organisiert“ ist, der gelernte Finanzkaufmann Axel Gonder (Die Linke) von Geldanlagen an der Börse abrät, Bruno Jöbkes (Die Grünen) in seiner Schlachterei ökologisch schlachtet und dass aus dem ehemaligen Hauptschüler Ronald Pofalla, (CDU) „doch noch was geworden ist“.

Dann war allerdings Schluss mit lustig, denn die kompetenten und sehr gut vorbereiteten Moderatorinnen hatten einige unbequeme Fragen parat, die nicht mit Allgemeinplätzen und Phrasendrescherei zu beantworten waren. Axel Gonder kam ein wenig ins Schwimmen als er erklären musste, wie seine Partei die 120 Milliarden Euro für die linken Forderungen von nur 15 400 Einkommensmillionären finanzieren möchte. Steuerentlastungen versprachen hingegen Pofalla und Friedhoff, um mit mehr Wachstum Arbeitsplätze zu schaffen. Hendricks erinnerte daran, dass der Bund seit 1970 immer mehr Schulden aufnimmt und sich niedrigere Steuern nicht leisten kann. Der Grünenpolitiker Jöbkes kritisierte die beschlossene Schuldenbremse: „Der Bund und die Länder müssen ab 2020 ohne neue Kredite auskommen und werden alles auf die Kommunen abschieben.“

Beim Thema Abwrackprämie herrschte allerdings weitgehend Einigkeit: Pofalla, Friedhoff und Hendricks werteten sie, ähnlich wie die zuvor in einem Kurzfilm gefragten Autohändler aus Geldern, als positiv und notwendig für den Kreis Kleve, während Jöbkes von einem katastrophalen Strohfeuer sprach und Gonder auf die fehlenden Einnahmen der Reparaturbetriebe der nun abgewrackten Autos hinwies.

Für die Zukunft erhoffte sich Hendricks jedoch eine „Ökologisierung der Industrie“: „Wir können vier Millionen neue Jobs nur schaffen, wenn wir jetzt in effizientere Technologien und erneuerbare Energien investieren.“ Jöbkes forderte einen New Green Deal, der auf neue Arbeitsplätze in den Bereichen Solaranlagen, Biomasse und Windkraft setzt und Gonder hielt 10 Euro Mindestlohn für sehr viel besser für die Menschen anstelle von Hartz Vier.

Beim Thema Studiengebühren mussten besonders Pofalla und Friedhoff einigen Gegenwind aus dem Publikum hinnehmen. „Ich konnte auch mit Darlehen studieren und das Geld fließt schließlich in die Hochschulen“, erklärte Pofalla seine Zustimmung zu Studiengebühren. Friedhoff forderte zuerst einen gebührenfreien Kindergartenbesuch und dann Entlastungen für Studenten. Jöbkes, Hendricks und Gonder beurteilen sie hingegen als ungerecht und schädlich. Hendricks: „Der Anteil derer, die studieren können, es aber nicht machen, ist nach Einführung der Studiengebühren bundesweit gestiegen.“

In der anschließenden Fragerunde, in der das Publikum zu Wort kam, wurde das Thema Bildungspolitik ganz konkret: Wie viel Bafög kriege ich, wenn schon zwei Geschwister studieren? Kann es nicht ein Bafög für alle geben? Was ist, wenn ich zu wenig Bafög bekomme, meine Eltern mir aber nicht weiterhelfen können? Hier erinnerte Pofalla an das elternunabhängige Bafög, dass allerdings nur unter besonderen Bedingungen bewilligt wird. Hendricks antwortete, dass man auch daran denken solle, dass die früh Erwerbstätigen das Bafög mit ihren Steuern finanzieren. Nach Politikverdrossenheit sah der Redebedarf der Schüler und Schülerinnen jedenfalls nicht aus.

Die Wahl hätte nach dem Willen des Publikums Dr. Barbara Hendricks von der SPD gewonnen, die ihre Politikerkollegen mehrmals in Zahlendetails korrigieren konnte. Und für eine bessere Kommunikation gab es als Dankeschön für die Gäste kleine Wörterbücher „Politiker-Deutsch, Deutsch-Politiker“ sowie einen farbenfrohen Obstkorb mit vielen Vitaminen für die letzte heiße Phase des Wahlkampfes.

Von Anna Greshake (Abi-Jahrgang 2009)
(Fotos: Ewald Hülk, Film: MrT)


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