Sexueller Gewalt keine Chance geben

Schüler des Berufskollegs der Liebfrauenschule Geldern hatten die theaterpädagogische Werkstatt aus Osnabrück zu Besuch. Im Stück „Grenzgebiete“ erlebten sie, wie schnell aus freundschaftlicher Nähe eine Vergewaltigung wurde.

Von Bianca Mokwa
GELDERN. In der Aula der Liebfrauenschule Geldern ist es still, totenstill. Am Bühnenrand sitzt ein Mädchen, das ihrer Freundin beichtet, dass sie vergewaltigt wurde.

100 angehende Erzieher des Berufskollegs der Liebfrauenschule schauten sich das Theater-stück im Rahmen des Projekts „Grenzgebiete“ an. Die Schüler erlebten mit, wie aus gemeinsamen Unternehmungen in einer Freundschaft die Stimmung umschlug. Vom Bedrängen geht der Täter den letzten Schritt, er vergewaltigt. Was bleibt, sind Scham und Vorwürfe beim Opfer: Warum ich? Warum habe ich mich nicht genug gewehrt?

Später werden die vier Schauspieler in den Klassen auf das Gesehene eingehen. Brian Sommer, Hauke Horis, Stefanie Wennmann und Heidrun Fiedler sind für das Thema „Prävention vor sexueller Gewalt“ speziell ausgebildet. „Es ist ein Thema, über das ungern gesprochen wird“, weiß Hauke Horis. Aber nur, weil man darüber schweigt, ist es eben nicht aus der Welt. Lehrerin Barbara Roghmanns holte die Theatergruppe an die Schule, um über das Thema zu reden.

„Es geht darum, sensibel zu machen“, sagt Roghmanns. „Wir sind weit davon entfernt, Panik zu verbreiten.“ Vielmehr gehe es darum, einen guten Mittelweg zu finden, was bei Jugendlichen akzeptiert und was eine Grenzüberschreitung ist. „Was für mich normal ist, muss für den anderen nicht normal sein“, stellt die Lehrerin klar.

Das konnte bei einigen Übungen ausprobiert werden. In einer Übung gehen zwei Schüler aufeinander zu, bis einer Stopp sagt. Wie viel Nähe okay ist, das ist sehr individuell. Auch wenn das Stück eigentlich für Jugendliche der siebten bis neunten Schuljahre konzipiert ist, so sind die abgehenden Erzieher, die später unter anderem in Kindergärten arbeiten, die richtigen Adressaten, so Roghmanns.

„Ich denke, dass wir mit dem Thema Grenzüberschreitung schon im Kindergarten ansetzen müssen“, sagt die Lehrerin. „Kinder, die Tanten oder Omas Küsse geben müssen, obwohl sie nicht wollen, lernen, dass ihr Nein nicht akzeptiert wird.“ Für solche Situationen sollen die angehenden Erzieher sensibilisiert werden. In einer anschließenden Fachkräftefortbildung lernten sie, selber sensibel auf Grenzen anderer zu achten, Grenzverletzungen im Gruppen-verhalten wahrzunehmen, aber auch Kinder, die sich auffällig verhalten, besser einzuschätzen.

„Außerdem erfahren sie, an wen sie sich wenden können, wenn professionelle Hilfe gefragt ist“, sagt Roghmanns. Durchgeführt wird das Projekt von der Katholischen Landesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz Nordrhein-Westfalen. Bisher haben davon 80 Schulen in NRW profitiert. Die Veranstaltung am Gelderner Berufskolleg Liebfrauenschule wurde durch Landesmittel finanziert.
Was bleibt, war das unbestimmte Gefühl in der Magengrube, die Betroffenheit und das Wissen, dass jeder ein Recht darauf hat, Nein zu sagen. Und dass Nein auch wirklich Nein heißt, nicht vielleicht.

Diesen Artikel drucken wir mit freundlicher Genehmigung der Rheinischen Post ab.
Erscheinungsdatum und -ort: 7. März 2014, Ausgabe Geldern
Autorin: Bianca Mokwa
Fotos: Ewald Hülk


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