Das Mädchen und der Weltenwanderer

Liebe. Rache. Tod. Oder doch Vergebung? Es sind große Themen der Menschheit, die da gleich sieben Mal in der Aula der Liebfrauenschule Geldern aufbereitet wurden. Guido Niermann und Thomas Cöhnen waren dafür verantwortlich. Vor den Sommerferien scharten die beiden Lehrer eine Gruppe von 140 Schülerinnen und Schülern des Berufskollegs des Bistums Münster und bestens theatererprobte Kollegen um sich, griffen selbst zur Feder und schrieben ein Stück, das die Vorlage für ein schillerndes Musical wurde, das nun Weltpremiere feierte. Der Titel: Das Mädchen und der Weltenwanderer.

Sie ist jung und hübsch, voller Ideale und Visionen, und sie ist verliebt. Das Mädchen (Manuela Kempkens) aus der hiesigen Welt verguckt sich in den Weltenwanderer (Andreas Notz), dem sie in seine bizarre Welt folgt, um dort mit ihm auf blanke Ablehnung zu stoßen. Im Strafgericht finden sich die beiden wieder, und dem Holden droht beim ersten Lichtstrahl des neuen Tages nichts Geringeres als der Tod, denn die Liebe zu einer Frau aus der anderen Welt ist Sünde – so sagen es die Gesetze. Hart wie Beton sind die Herzen der Menschen, die die beiden umgeben: die Henkerin (Teresa Becker), die gallig-giftig und perfide nur Hass versprüht, die grimassierenden Priester (Irina Verhülsdonk, Anna Völlings), die keifend im Namen Gottes die Liebe mit einer anderen verbieten, die biestige Anklägerin (Meike Rentel), deren Seele so schwarz wie ihre Haare ist.

Über Nacht zu einer Weltenwanderin und damit akzeptiert zu werden – das gelingt dem trotz aller Drangsal unbekümmert daherkommenden Mädchen nicht. Zu abstrus sind die Weltenwanderer, ein Konglomerat von Wesen vorgetäuschter Harmonie. Die Dienenden, stinkend herumpöbelnd in verdreckter Kleidung, geifern und lechzen mit lang ausgestreckter Zunge. Die Primaballerinas mit Tutu in Rosé verzücken zwar als Welt der Schönheit mit perfektem Pas de Deux, Jeté und Sauté, fordern aber vom Mädchen, sich die Augen mit dem Dolch auszustechen. Und die so genannte Kraft der Welt entpuppt sich als hämmernde Maschine, deren Einzelteile martialisch wirkende Wesen sind, die kein noch so kleines Minimum an Freiheit kennen und stets penibel nachjustiert werden müssen.

Aber da ist auch die ansehnliche, zunächst von schierem Hass erfüllte Verlobte (Lena Weikamp), die um ihren ehemals Versprochenen erbittert kämpft und Frieden mit ihm sucht, diesen aber nicht mehr findet und schließlich eine innige Seelenverwandtschaft mit dem Mädchen entdeckt.

Es kommt zum Showdown: Hier die stumpf dem Gesetz sich verpflichtenden Weltenwanderer, dort die sich durch nichts trennenden Liebenden. Das Urteil der bis dahin barsch-erhaben daherkommenden, nun aber feinfühlig agierenden Herrscherin (Anne Drießen) verwundert nicht mehr: Freispruch!

Es ist ein großartiges, mit brillantem Gesang vorgetragenes Finale, bei dem sich alle teilnehmenden Darsteller auf und vor und neben der viel zu kleinen Bühne vereinen, alle Musiker und Bühnenbauer, alle Kostümschneiderinnen und Maskenbildner, alle Organisatoren und die Techniker, die das nur auf den ersten Blick mürbeweiße, aufwendig und überaus mobil gestaltete Bühnenensemble in eine bunte schillernde Farbenwelt tauchten.

Zum ersten Mal war bei einem Musical der Liebfrauenschule alles selbst gemacht, selbst die komplette Musik, komponiert vom ehemaligen Schüler und jetzigen Musikproduzenten Sebastian Benthin. Um all das zu stemmen, war es nötig, erfahrene Schülerinnen mit ins Boot der Kreativleitung zu nehmen. Sämtliche Tanzchoreografien, das Entwerfen und Schneidern der an Vielfalt kaum zu überbietenden Kostüme, das Entwickeln der Masken und das filigrane Schminken lagen ausschließlich in Schülerhand. Großes Kompliment!

Für die beteiligten Lehrer entstanden so die erforderlichen Freiräume bei der Bühnenbildgestaltung, der musikalischen Realisation und bei der Schauspiel- und Gesangsausbildung. All das trug reiche Frucht. Rein stimmlich gewährten die Darsteller einen trefflich-differenzierten Einblick in ihre jeweilige Gefühlswelt. Dazu passte das Mimenspiel, hier vor allem beim diffizilen Part der Hauptdarstellerin. Virtuos, mitunter sogar zweistimmig vorgetragene Gesangspartien ließen zudem keinen Zweifel daran, dass die Inszenierung weitaus mehr als herkömmliches Schultheater war.

Was aber bleibt den rund 3000 begeisterten Zuschauern und –hörern? Sicherlich auch die Erkenntnis, dass es sich lohnt, seinen Traum zu leben, dabei standhaft zu bleiben und sich, wenn nötig, zu widersetzen. Sinnvolle Veränderungen in der Welt und im menschlichen Entscheiden und Handeln sind so nicht aussichtlos. Sie werden belohnt, vor allem dann, wenn man sich traut, seine eigenen engen Grenzen zu verlassen. So, wie das Mädchen und der Weltenwanderer und alle Mitstreiter, die den unterrichtlichen Rahmen verließen und Neues wagten.

Text und Fotos: Ewald Hülk

Videozusammenschnitt von Bernd Uhlen auf YouTube

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Kommentare

  1. Claudia Behrend sagt:

    HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH ZUR GELUNGENEN PREMIERE!
    Alleine schon die Fotos sind der Knaller! Die Kostüme – göttlich: da kann sich so manche Profi-Truppe ein Stück von abschneiden. Freue mich schon auf Samstag, dann kann ich es endlich auch sehen.

  2. Terhorst (Mr T) sagt:

    Chapeau! Mein Kompliment an die gesamte Musical-Truppe unserer Schule, Foyergestaltung und Service eingeschlossen. Vielen Dank für einen unterhaltsamen, kurzweiligen Abend mit Tiefgang. Weiter so. Auch der Artikel und die Fotos sind klasse.

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