Podiumsdiskussion zur Bundestagswahl 2005

Schüler fragten – die Bundestagskandidaten antworteten

Angela Merkel und Guido Westerwelle würden angesichts dieser Zahlen am 18. September jubilieren: CDU 48%, SPD 27%, FDP und Grüne jeweils 9%, Linkspartei 5%. Das jedenfalls wäre das Wahlergebnis, wenn knapp 700 Schüler der Liebfrauenschule wählen gehen würden und alleine über die Zusammensetzung des Bundestages entscheiden könnten. Als Vorbereitung für die Podiumsdiskussion mit den fünf Direktkandidaten des Kreises Kleve hatte das aus vielen Schülern und einigen Lehrern bestehende Vorbereitungsteam diese Zahlen ermittelt. Und noch etwas hatte die Befragung in der Schülerschaft ergeben: Ein Drittel bewertet das eigene Vertrauen in die Politik nur mit der Schulnote 4, und genauso viele würden dafür glatt die Noten 5 und 6 geben.

Ronald Pofalla (CDU), Barbara Hendricks (SPD), Paul Friedhoff (FDP), Benjamin Müller (Grüne) und Axel Gonder (Linkspartei) konnten also viel tun für das Image von Politik, war doch die Erwartungshaltung unter den Schülern groß. „Klare Aussagen und keine schwammigen Statements“, das wünschte sich nicht nur Alexander Förster. Er sowie seine rund 400 Mitschüler sollten nicht enttäuscht werden von der Diskussion, in der Benjamin Müller provokativ bei dem angestrebten Bürokratieabbau die Klientelpolitik der CDU kritisierte und damit eine Steilvorlage für Ronald Pofalla lieferte, der dem grünen Jungpolitiker väterlich-belehrend auf die Schulter klopfte und konterte: „Beschäftigen sie sich in puncto Klientelpolitik erst mal mit der Geschichte Ihrer eigenen Partei!“ und dann ein Beispiel nachlegte: „Da muss es unter den zahlreichen Beauftragten, die ein Unternehmen bereitstellen muss, halt nicht nur den Lärmschutz- und Sicherheitsbeauftragten geben, sondern neben dem Müllbeauftragten sogar noch einen Sondermüllbeauftragten!“

Dass Bürokratie Gift für die Schaffung neuer Unternehmen und Arbeitsplätze ist, stand bei allen außer Frage. Unterschiedlich bei der Arbeitsmarktpolitik wurde die Lockerung des Kündigungsschutzes bei Neueinstellungen bewertet. Klare Worte hierzu von Paul Friedhoff: „Ich kenne viele Arbeitsplätze, die nicht geschaffen wurden, weil die Unternehmer davor zurückgeschreckt haben, einen einzustellen, der nicht entlassen werden kann, wenn genau für seinen Arbeitsplatz keine Arbeit mehr da ist!“ Vor Panikmache warnte Ronald Pofalla. Von der von der CDU geplanten Novellierung des Kündigungsschutzes seien rund 26 Mio. Arbeitnehmer überhaupt nicht betroffen, da diese schon in einem Arbeitsverhältnis seien. Anders die Meinung von Barbara Hendricks: „Unser Arbeitsmarkt kann schon jetzt flexibel genug auf die Auftragslage reagieren.“ So gäbe es die Möglichkeit, bei Neueinstellungen befristete Arbeitsverträge abzuschließen.

Ob der mit der Wirtschaft geschlossene Ausbildungspakt nicht gescheitert sei, wollten Andrea Mölders und Jan Schoofs, die gut vorbereitet und souverän durch die Diskussion führten, wissen. „Immerhin“ so die beiden Schüler, „gab’s im Kreis Kleve für 5828 Ausbildungssuchende nur 2690 Ausbildungsstellen!“ Dass die Politik die Wirtschaft halt nicht zwingen könne, auszubilden, meinte daraufhin Barbara Hendricks. „Der Zustand ist“, so die Finanzexpertin der SPD, „aber unbefriedigend!“. Friedhoff, früher selbst Unternehmer, konterte, dass viele Firmen angesichts der vielen Pleiten halt nicht wüssten, ob sie drei Jahren später noch bestehen würden. Für ihn wie für Pofalla stand daher fest, dass die Rahmenbedingungen für die Firmen verbessert werden müssten.

Kontrovers waren auch die Standpunkte zu den anderen angesprochenen Themen aus den Bereichen Bildung, Familie und Soziales. Mehr Ganztagsschulen forderten Benjamin Müller und Barbara Hendricks. Ronald Pofalla sprach sich für ein familienfreundlicheres Steuersystem aus. Und Axel Gonder von der Linkspartei schüttete aus dem Füllhorn zahlreiche Sozialleistungen wie die Erhöhung des Kindergeldes auf 250 Euro, kostenlose Kindergarten-, Ganztagsschul- und Studienplätze und einen Mindestlohn von 1400 Euro für Arbeitnehmer aus, ohne dabei jedoch konkret zu benennen, wie diese Wohltaten zu finanzieren seien.

Applaus dann am Ende der Diskussion für die Teilnehmer und die Arbeitsgruppen, die diese Veranstaltung vorbereitet hatten. „Meine Erwartungen sind mehr als erfüllt!“, meinte Petra Gruschka. Die unterschiedlichen Auffassungen der Politiker seien gut rübergekommen. Und ähnlich dachte Annette Bäcker: „Ich hab jetzt einen viel besseren Eindruck von den Politikern. Sie haben keine leeren Phrasen gedroschen und ihre Meinung kann ich nun besser nachvollziehen!“

Ewald Hülk


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