Wie gestaltet sich die Arbeit mit Suchtkranken?

Wir, die Studierenden der HEP/O, bekamen am 09.03.2012 im Fach Psychiatrie Besuch von Herrn Boermann. Er ist bei der Diakonie für das Ambulant Betreute Wohnen zuständig und hat durch seine zehnjährige Tätigkeit dort viele Erfahrun-gen in der Betreuung von Menschen mit Suchterkrankungen gesammelt.
Im Fach Psychiatrie hatten wir uns vorher gemeinsam mit Herrn Mäteling über das Thema „Sucht“ mit Schwerpunkt Alkoholsucht informiert. Um mehr über die Betreuung und Pflege von Betroffenen zu hören, freuten wir uns auf den Besuch von Herrn Boermann.
Anfangs stellte Herr Boermann allgemein das Ambulant Betreute Wohnen der Diakonie und speziell seine Arbeit vor. So erfuhren wir zu Beginn, dass die Klienten von Mitarbeitern der Diakonie in ihren ei-genen Wohnungen betreut werden. Ziel des Ambulant Betreuten Wohnens ist es, Menschen mit Behinderungen dabei zu unterstützen, ein eigenständiges Leben zu führen und nicht in ein Heim zu kommen. Herr Boermann erklärte uns, dass der LVR seit 2003 für den ambulanten und stationären Bereich zuständig ist und dies sehr erfolgreich. Zurzeit betreut die Diakonie 100 Menschen im Kreis Kleve.
Nach dieser kurzen Einleitung, durften wir Fragen stellen, die sich uns durch unsere Erfahrungen in Praktika ergeben haben oder uns allgemein interessieren. Herr Boermann erzählte dazu, dass zum Ambulant Betreuten Wohnen oft Menschen kommen, die schon viele Therapien hinter sich haben und bedroht sind obdachlos zu werden. Zu der Frage, in welchem Betreuungsumfang sie zuständig sind, antwortete Herr Boermann, dass dies bei einer Stunde in der Woche beginnt und nach oben hin individuell je nach Situation und Bedarf des Klienten offen ist.
Weiter interessierte uns, welche Süchte bei Menschen im Ambulant Betreuten Wohnen besonders häufig sind. Wir erfuhren, dass Essstörungen und Esssüchte nur in der Kopplung mit anderen Süchten vorhanden sind. Liegt ausschließlich eine Essstörung oder Esssucht vor, sind andere Dienste zuständig. Die meisten Klienten sind alkoholsüchtig, oft auch in der Kombination mit anderen psychischen Erkrankungen.
Uns als angehende Heilerziehungspfleger interessierte natürlich sehr, ob wir beim Ambulant Betreuten Wohnen arbeiten können. Herr Boermann erklärte, dass man als Fachkraft dort arbeiten kann, dass dies in der Praxis aber im Moment eher selten der Fall ist. Dazu fragten wir, welche Fähigkeiten man mitbringen muss, um in diesem Bereich zu arbeiten. Zu diesen Fähigkeiten gehören ein „gesunder“ Umgang mit Nähe und Distanz, die Fähigkeit, sich selbst zu organisieren, Verlässlichkeit, eine gewisse Bodenständigkeit, sowie die Fähigkeit, gedankliche und zeitliche Ver-änderungen zu akzeptieren.
Die Arbeit von Herrn Boermann und die seiner Mitarbeiter richtet sich, wie wir er-fuhren, immer nach dem jeweiligen Men-schen und seiner Situation sowie nach dem Grad der geistigen Behinderung. Oft gehören zu dieser Arbeit Gespräche über den Umgang mit der Sucht und darüber, wie der Alltag bewältigt und die Freizeit gestaltet werden kann. Von großer Bedeu-tung ist auch die Reflektion der jeweils abgelaufenen Woche. Herr Boermann verschwieg auch nicht, dass es durchaus Rückfälle bei Klienten gibt. Zwangseinweisungen aber sind der letzte Weg und mit hohen Hürden verbunden, ergänzte Herr Boermann.
Auf die Frage nach den häufigsten Grün-den für die Entstehung einer Suchterkran-kung bei den Klienten antwortete Herr Bo-ermann, dass viele Betroffene, die alko-holabhängig sind, vor der Sucht schon sehr oft schlechte Bedingungen und Stress in ihrem Leben erfahren haben. Oft gab es bereits frühkindliche Traumata. Nicht selten seien die Suchtkranken auch Kinder von suchtkranken Eltern.
Interessant war auch, wie alt die Menschen durchschnittlich sind, die im Ambulant Betreuten Wohnen betreut werden. Herr Boermann erzählte, dass die meisten Men-schen zwischen 46 und 60 Jahren alt sind, dass aber allgemein jedes Alter vertreten ist.
Eine der letzten Fragen war, wie lange eine Entgiftung dauert. Wir erfuhren dazu, dass eine rein körperliche Entgiftung drei bis vier Tage dauert, die gesamte Behandlung aber inklusive psychotherapeutischer Therapie usw. einen weitaus größeren Zeitraum umfasst und beim Konsum von illegalen Drogen und Medikamenten besonders zeitintensiv ist. Auch bei der Therapiedauer gilt, dass diese individuell sehr unterschiedlich ist und je nach Situation des Betroffenen sehr stark variiert.
Nach einer informativen Doppelstunde bedankten und verabschiedeten wir uns von Herrn Boermann, dessen Schilderung seiner umfangreichen praktischen Erfahrungen in der Arbeit mit Suchtkranken eine gelungene Vertiefung zu dem im Unterricht bereits Besprochenen darstellte.

Text: Cornelia Frost (HEP/O)
Foto: Andreas Mäteling


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