Ein Zeitzeuge berichtet.

Im Rahmen der Lektüre „Katz und Maus“ von Günter Grass, deren Geschichte zur Zeit des Nationalsozialismus spielt, lud der Deutsch-Leistungskurs der AH/13S am Freitag, dem 9. Dezember 2011, Herrn Leo Kloeters in den Unterricht ein. Herr Kloeters ist der Großvater einer Schülerin des Kurses. Er wurde 1934 geboren und erlebte den Zweiten Weltkrieg haut-nah mit. Schwerpunkt der Erzählungen von Herrn Kloeters war die Erziehung zur Zeit des Zweiten Weltkrieges.
Während er zu Hause mit seinen acht Geschwistern eine strenge, aber liebevolle Erziehung genoss, war die Pädagogik sowohl in der Schule als auch in der Freizeit von den „Bildungs-zielen“ Hitlers geprägt. Alles war darauf ausgerichtet, die Mädchen und Jungen auf den Krieg vorzubereiten: Während die Jungen in der Hitler-Jugend beispielsweise Motoren für Segel-flugzeuge bauten, wurden die Mädchen auf die Arbeit im Haushalt und in der Familie vorbe-reitet. Der wöchentlich stattfindende „Heimabend“ war für alle eine Pflichtveranstaltung. Bei unentschuldigtem Fehlen wurden zunächst die Eltern informiert, das Fehlen hatte aber auch Konsequenzen für die Kinder und Jugendlichen selbst: Die Jungen beispielsweise wurden verpflichtet, sich an der Aushebung der Panzergräben zu beteiligen. Durch den Sport, den die Jugendlichen in der Gruppe treiben konnten, aber auch durch die Möglichkeiten, sich an tech-nischen Geräten auszuprobieren, sei ihnen selbst überhaupt nicht bewusst gewesen, dass sie sich auf den Krieg vorbereiteten, so Herr Kloeters.
Der Unterricht in der Schule war ebenfalls von Strenge geprägt: Wer nicht gehorchte, dem wurde mit dem Stock auf die flache Hand geschlagen oder aber er musste sich bäuchlings auf eine Schulbank legen und wurde geschlagen. Unterrichtet wurden die Schüler/innen da-mals von Lehrern, die so starke Verwundungen aus dem Ersten Weltkrieg zurückbehalten hatten, dass sie im Zweiten Weltkrieg nicht mehr als Soldat eingesetzt werden konnten. Leh-rerinnen, die man zur damaligen Zeit mit „Fräulein“ ansprach, da sie meist unverheiratet wa-ren, ergänzten die männliche Lehrerschaft. Herr Kloeters erlebte die Lehrerschaft sehr un-terschiedlich: Vor allem die Männer waren sehr streng, hatten offensichtlich auch des Öfteren mit ihren alten Verwundungen zu kämpfen. Aber auch die Lehrerinnen trauten sich zuzu-schlagen, es gab aber auch „nette“ Lehrerinnen, vor allem an eine jüngere Lehrerin erinnerte sich Herr Kloeters, „die immer so gut roch“. Die meisten Lehrer/innen, so Herr Kloeters, wa-ren dem Regime treu. Sobald sie sich nämlich in der Öffentlichkeit gegen das Regime äußer-ten, wurden sie der Aufsichtsbehörde gemeldet.
Die Unterrichtsfächer beschränkten sich zur damaligen Zeit im Wesentlichen auf die Fächer, die wir heute mit „Mathematik“ und „Deutsch“ bezeichnen. Die zur Verfügung stehenden Lehrmittel seien extrem wenig gewesen, so Herr Kloeters. Zudem fiel sehr viel Unterricht aus, weil die Schulen immer wieder für Kriegszwecke verwendet wurden. Die Schüler/innen freuten sich natürlich darüber, merkten aber später, dass sie viel nachzuholen hatten.
Alles in allem kann man sagen, dass die Zeit für die damaligen Kinder und Jugendlichen si-cher nicht einfach war, auch wenn sie häufig erst später gemerkt haben, was alles im Argen lag. Die Erzählungen von Herrn Kloeters haben den Schülerinnen und Schülern des Deutsch-Leistungskurses auf ernsthafte, zum Teil aber auch humorvolle Art gezeigt, dass Erziehung und Bildung heutzutage einen ganz anderen Stellenwert haben.
Text: Afra Otten
Foto: Ewald Hülk


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