Exklusiv-Gespräch mit Bundesminister Bahr

Wir vom ehemaligen Gestaltungskurs des Schuljahres 2009/10 des Beruflichen Gymnasiums hatten die große Ehre, vom Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr höchstpersönlich nach Berlin eingeladen und im Paul-Löbe-Haus, dem Parlamentsgebäude unserer Bundesregierung, in Empfang genommen zu werden. Mit dieser Einladung kam der Minister seinem Versprechen nach, das er uns bei seinem letzten Besuch an unserer Schule im November vergangenen Jahres gegeben hatte. Der damalige Anlass des Besuches war eine von uns gestaltete Ausstellung zum Thema Pflege, die über drei Monate in unserer Schule zu bestaunen war und Herrn Bahr, vor allem gestalterisch, sehr gut gefiel.
Natürlich waren wir mit unseren Lehrern Herrn Baum und Herrn Mäteling sehr aufgeregt, den Minister in so einem offiziellen Rahmen wieder zu treffen.

Unser Berlinbesuch erstreckte sich über drei Tage. Am Freitag, dem 02.12.11 um kurz nach 11 Uhr trat Herr Bahr in den Besucherraum des Paul-Löbe-Hauses und begrüßte uns herzlich. Einige von uns Schülern erkannte er auf Anhieb wieder, und so entwickelte sich schnell ein interessanter Dialog, wenngleich der Einstieg in diese Gesprächsrunde erst einmal anders als geplant verlief. Anstatt mit uns über fachliche Themen zur Gesundheit und Pflege zu sprechen, erarbeitete er mit uns allgemeines Wissen zum Thema Demokratie und Politik: Wie viele Parteien im Bundestag vertreten sind und wie diese heißen, wie viele Abgeordnete im Bundestag sitzen usw. Dies verwirrte uns anfangs, und unsere diesbezüglichen Redebeiträge fielen eher knapp aus. Doch nachdem Herr Baum und Herr Mäteling das Gespräch in eine andere Richtung lenken konnten, folgte dann ein spannendes Fachgespräch über die aktuelle Gesundheitspolitik in Deutschland. Zunächst erklärte er uns die Entstehung von Gesetzen im Gesundheitssektor, was für uns besonders interessant war, da wir uns in unserer Schule ja intensiv mit dem Thema „ Präimplantationsdiagnostik“ beschäftigt hatten. Vor allem war es für uns interessant, dass am Tag zuvor das so genannte „Landärztegesetz“ im Bundestag verabschiedet worden war, auf das der Minister sichtlich stolz war: es ist sein erster großer Gesetzesentwurf, der in seiner noch recht jungen Amtszeit verabschiedet wurde.

Des Weiteren äußerte sich Minister Bahr dahingehend, als dass es zum Glück für ihn keine Schwierigkeiten gäbe, gesundheitliche Themen in der Öffentlichkeit zu diskutieren, da sich alle für Gesundheit interessieren bzw. Gesundheit jeden etwas angeht. Seine Position verglich er dann mit der Lage der Familienministerin Kristina Schröder, die es, wie Herr Bahr aus einem persönlichen Gespräch an diesem Morgen mit ihr berichten konnte, schwer hat, mit ihren Themen das öffentliche Interesse in gleichem Maße zu wecken.

Unsere Neugierde dem Minister gegenüber brachte ihn dazu, später neben allem Fachlichen auch über sein früheres Leben als Bankkaufmann und über sein Fernstudium der Gesundheitsökonomie, welches er parallel zum Bundestagsmandat absolvierte, zu erzählen. Auf die Frage, warum er sich persönlich für Themen wie Gesundheit und Pflege interessiere, antwortete er, dass sich nicht nur ältere Menschen mit diesen Themen beschäftigen sollten, wie es bisher oftmals der Fall gewesen wäre, denn schließlich gehe es besonders auch junge Menschen etwas an, die z.B. in der Pflege oder im Gesundheitssektor arbeiten, pflegebedürftige Angehörige haben und auch selbst jederzeit nach einem unverhofften Ereignis pflegebedürftig werden können. Diese Einstellung habe ihn von Anfang an dazu bewegt, sich schon mit 26 Jahren mit diesen Themen zu befassen.

Unsere Podiumsdiskussion im November 2011 aufgreifend, konfrontierten wir Herrn Bahr mit den Aussagen unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel und mit der von Ministerin Schröder. Die Zitate besagen, dass gerade für weniger gebildete Männer mit weniger guten Schulabschlüssen als auch für Arbeitslose gerade in der Pflege eine gute Verwendung gefunden werden kann. Diese Verallgemeinerung lehnte er ab, teilte uns aber mit, dass auch er für mehr Durchlässigkeit plädiere und eine alleinige Fokussierung auf sehr gute Abschlussnoten, wie dies auch bei Medizinstudenten der Fall sei, als Zugangsvoraussetzung ablehne, da gerade in der Pflege und Medizin auch die sozialen und humanen Kompetenzen dieser Menschen besonders wichtig seien und entsprechend berücksichtigt werden sollten.
Kritisch sah er die Entwicklung in nahezu allen EU-Ländern, dass ein Abitur der alleinige Maßstab sei, um einen Pflegeberuf ergreifen zu können. Der Minister möchte mit seiner Politik dazu beitragen, dass in Pflegeberufen mehr Aufstiegschancen geschaffen werden, um diese attraktiver zu machen.

Natürlich interessierte uns auch, was sich in seinem Leben verändert hat, seitdem er vom Parlamentarischen Staatssekretär zum Bundesgesundheitsminister ernannt wurde. Seine erste Aussage zu dieser Frage war: „Mein Alltag ist seitdem ungleich stressiger geworden“. Seine Arbeitszeiten seien täglich von 8-23 Uhr und auch am Wochenende habe er wenig freie Zeit. Oft erlebe er Anfeindungen und Aggressionen seiner Person gegenüber und empfinde dies als anstrengend. „Ich bin aber nicht gefrustet, die eigentliche Arbeit macht mir viel Freude“, so der Minister.

Ebenfalls berichtete er davon, dass die Medien eine große Distanz zwischen Politikern und der Gesellschaft herbeiführen. Niemand würde auf die Idee kommen, auf der Homepage von Politikern nach Neuigkeiten zu schauen. Stattdessen sähen alle die Medien als Hauptquelle für neue Beschlüsse in der Politik. Dabei wüssten wir doch alle, dass Journalisten alle Aussagen und Handlungen überspitzt darstellen. Ein gutes Beispiel sei hier eine eigene Aussage von ihm vor einigen Wochen: „Gute Pflege kann es nicht zum Nulltarif geben!“ Am nächsten Tag titelte die BILD, dass Beiträge zur Pflegeversicherung steigen würden, obwohl er doch nur hätte darauf hinweisen wollen, dass eine sehr gute Pflege auch gut entlohnt werden muss.

Uns wurde an diesem Beispiel bewusst, dass die Wortwahl eines Politikers immer besonders überlegt und, wenn möglich, möglichst konkret sein muss und dass wir, bevor wir uns eine eigene Meinung bilden, die Informationsquellen kritisch hinterfragen sollten. So würden manche Aussagen beim zweiten Hinhören vermutlich in einem anderen Licht erscheinen.

Nachdem Minister Bahr dann noch einige persönliche bzw. spezielle Fragen einiger Schüler von uns beantwortete, so z.B. wie seine Frau mit seinem Job zurechtkommen würde, wo seine Familie wohnt und wie oft er sie sehen kann oder warum eine Ausbildung zum Physiotherapeuten so viel Geld kosten würde, während man in der Pflegeausbildung schon Geld verdient, baten wir ihn um einige Fotos mit uns. Danach wurden wir noch zu einem Essen im Haus eingeladen, bevor wir dann in den Bundestag geleitet wurden und als Zuhörer an zwei Plenarsitzungen teilnehmen durften.
Den Abschluss unseres Besuches im Regierungsviertel bildete der Besuch bzw. die Besichtigung der Reichstagskuppel, von der aus man einen tollen Blick über die Bundeshauptstadt Berlin genießen kann, sofern es nicht regnet, was bei uns leider der Fall war.

Abschließend ist zu sagen, dass dieser Ausflug nach Berlin mit dem Treffen des Ministers ein wahrhaft krönender Abschluss unserer Ausstellung „Da Sein – Ein neuer Blick auf die Pflege“ bzw. unseres Gestaltungskurses aus der 11. Klasse für uns gewesen ist, den wir bestimmt nicht vergessen werden!

Text: Irina Wacker und Jennifer Roth


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