Tierisch gut: Das Dschungelbuch

Rund 120 Schüler der Liebfrauenschule inszenierten die Erzählung
von Rudyard Kipling als Musical für Erwachsene.

Tohuwabohu im Dschungel. Rund 20 aufgedrehte Affen betanzen ihren King Louie. Der wirre, nach der Macht des Feuers gierende Patriarch, gespielt von Stefan Burghardt, stellt mittendrin, völlig nachdenklich, eine ernste Frage, die irgendwie auch zu den ersten Vorüberlegungen der Theatergruppe an der Liebfrauenschule gepasst hätte: „Verrückt, sind wir das nicht alle ein bisschen?“

Verrückt war sicherlich die Idee, die sechs Lehrer des Berufskollegs des Bistums Münster im letzten Sommer gemeinsam schmiedeten: Wie kann man Rudyard Kiplings „Dschungelbuch“ in sieben Abendveranstaltungen, also inhaltlich ausgerichtet für Erwachsene, so inszenieren, dass mehr als 120 Schülerinnen und Schüler passgenau eingesetzt sind – als Darsteller, Sänger, Tänzer, Musiker, Bühnen- und Maskenbildner, Kostümschneider, Techniker? Kann man überhaupt das vielfältig bunte Bild des Dschungels gestaltungstechnisch anspruchsvoll auf eine Aula-Bühne projizieren? Schaffen es die Schüler in eigener Regie, passend dazu phantasievolle Kostüme zu kreieren? Wirken die maß- und handgefertigten Masken wirklich echt und lassen sich gut ins Schauspiel integrieren? Und dann die Live-Musik mit Gesang. Sitzt da wirklich jeder Ton, so dass alles schließlich wie aus einem feinen Guss auf der Bühne zusammengefügt werden kann?

Seit der Premiere am 2. April weiß man: Das, was die Theatergruppe der Liebfrauenschule um ihren leitenden Lehrer Guido Niermann vor neun Monaten in Angriff genommen hat, gereicht selbst professionellen Ansprüchen. Begeisterte Kommentare im Foyer der Aula schon zur Pause und dann ein nicht enden wollender tosender Applaus am Ende mit stehenden Ovationen belohnten die angehenden Fachabiturienten und Abiturienten für ihre meisterhafte Leistung.

Ein Erfolgsrezept dafür war sicherlich das Casting, bei dem nach den Sommerferien die Hauptrollen unter den zahlreichen Bewerbern ausgespielt wurden. Anne Hendricks als von den wie verhext sich gebärenden Voodoo-Tänzern fast an Speeren aufgespießtes Findelkind Mogli hatte dabei den aufwändigsten, weil umfangreichsten Part. Ihr gelang es, in jeder der vielen Szenen sprachlich wie mimisch den Ton zu treffen, sei es als kindlich unbekümmert mit dem Wolfsrudel spielendes Kind, das meint, als eigentlich junger Wolf auch die wildesten Tiere in die Flucht schlagen zu können. Sei es als vorpubertierend-genervtes Mädchen, das Baghira hin zur Menschensiedlung folgen muss. Oder sei es als furchtlos unerschrockener Mensch, der, obwohl jegliche Gewalt ablehnend, mit einem Gewehr im Anschlag den scheinbar allmächtigen Tiger Shir Khan in die Flucht schlagen muss – und auch kann.

Anne Hendricks Leistung standen Katrin Heilen als besonnen-autoritärer und damit beschützender Panther Baghira und Theresa Leenders als verbittert-rachsüchtiger und von purem Hass erfüllter Tiger Shir Khan, dessen erste Worte noch falsch-freundlich geklungen hatten, in nichts nach. Besonders stimmlich beeindruckend gestaltete sich auch der Auftritt des Elefanten-Colonels Hathi, der in lautem preußischen Drill seine marode Elefanten-Truppe unter Kontrolle zu halten versuchte, gegenüber seinen jungen Elefanten aber eine nahezu väterliche Milde erahnen ließ. Gerade in diesen Szenen gab es die wohl meisten spontanen Lacher innerhalb des Publikums.

Den krassen Gegensatz zum Disziplin einfordernden Colonel Hathi verkörperte dann Lena Hendrix als swingender Bär Baloo, der einfach nur locker drauf war. Gesanglich wie die anderen Hauptdarsteller, zu denen auch die mitunter mächtig abgedrehten, schrillen Geier gehörten, die auf Party aus waren, aber entgegen aller Zweifel doch Rückgrat bewiesen, überzeugte Baloo mit dem Ohrwurm „Versuchs mal mit Gemütlichkeit“. Das war aber auch das einzige Lied aus dem bekannten Disney-Zeichentrickfilm. Als Vorlage für die anderen, eigens auf das Geschehen des Dschungelbuches getexteten Lieddarbietungen, die allesamt live gespielt und überaus sicher in der Tonlage präsentiert und oft vom Publikum im Takt klatschend mitgetragen wurden, dienten Stücke aus Musicals wie Cats, der Dreigroschenoper oder Les Misérables. Auch Songs von Lou Bega, den Weather Girls und Gloria Gaynor gehörten ebenso zum Repertoire wie die Filmmusik aus „Fluch der Karibik“. Großes Theater mit herrlichen Masken und Kostümen sowie einem Bühnenbild, das über zwei Stockwerke ging und in das die Musiker geschickt integriert waren, war also gewiss!

Dennoch: Am Ende gab es nicht ein richtiges Happy-End. Wehmut waberte durch die Aula. Wehmut deshalb, weil Mogli mit Trauer feststellen musste: „Ich gehöre nicht in den Dschungel, ich bin ein Mensch“ und deshalb Abschied nehmen musste. Trauer auch deshalb, weil die Tiere des Dschungels nun ohne ihren Mogli, den sie ganz tief ins Innerste des Herzens geschlossen hatten, leben müssen. Aber Wehmut vor allem auch im Publikum, weil wohl jeder dachte: „Schade, dass nach mehr als zweieinhalb Stunden diese ebenso beeindruckende wie märchenhafte Inszenierung schon ein Ende gefunden hat!“

Dschungelbuch-Inszenierung gewinnt Preise bei überregionalen Theatertagen

Text und Fotos: Ewald Hülk


Kommentare

  1. Gregor Strunk sagt:

    Vielen Dank für die tollen Bilder eines wunderschönen Abends.

  2. Detlef Scholz sagt:

    Hallo Theaterteam,
    gestern haben wir eure Aufführung des Dschungelbuch gesehen. Wir sind absolut begeistert. Die gesamte Leistung war absolut professionell. Man sollte hier auch niemanden besonders herausheben. Die Bühnendekoration war umwerfend, die Kostüme sensationell, die Darsteller könnten in jedem Film auftreten und die Gesangsdarbietungen ließen alle DSDS-Kanidaten blass aussehen. Auch der Rahmen mit der Bewirtung im Eingangsbereich ließ keine Wünsche offen. Alles war perfekt organisiert. Großes Lob von uns.
    Es grüßt euch alle aus Rheinberg
    Detlef Scholz

  3. C.Mattern sagt:

    Wir hatten am 09.April das Vergnügen und es war absolut großartig! Ein unvergesslicher Abend, lediglich eine DVD hätte Ich mir sehr gerne noch zusätzlich gegönnt. Ein ganz großes Lob an alle Mitwirkenden!

  4. Terhorst (Mr T) sagt:

    Kompliment an alle Mitwirkenden, vor, auf und hinter der Bühne, von Mr T von der Homepage-Redaktion. Es war gestern ein kurzweiliger Abend, ein Feuerwerk an guten Ideen, klasse musikalische und schauspielerische Darbietungen (Band und Sänger/innen, Darsteller) und durch das tolle Bühnenbild und die fantastischen Kostüme gab’s auch viel fürs Auge!

  5. doris sagt:

    Es war ein herrlicher Abend Danke schön

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