Der letzte Dienst: Wegbegleiter in Zeiten der Trauer

Einblicke in die Arbeit eines Bestatters und Thanatopraktikers

Zum Abschluss der Unterrichtseinheit Hospizarbeit und Palliative Care, besuchte unser FH/12G- Differenzierungskurs Pflege das Trauerhaus Keunecke in Geldern. Dort wurden wir freundlich von Michael Keunecke empfangen. Nachdem wir angesichts des Themas alle mit Anspannung gekommen waren, machte sich nach kurzer Zeit, in einem großen und hellen Gesprächsraum mit frühlingshaften Blumen und bunten Bildern mit Motiven zu den Weltreligionen angekommen, ein Gefühl von Gelassenheit breit. Bevor wir aber unsere Fragen loswerden konnten, stellte sich Herr Keunecke uns vor.

Michael Keunecke begleitete seit seinem 14. Lebensjahr seinen Vater bei der Arbeit, dieser war Bestatter. Dabei empfand die Tätigkeiten im Familienunternehmen als sehr spannend, auch war es für ihn nicht schlimm, Verstorbene zu sehen und zu versorgen. Aus diesem Grund entschloss er sich, nach seinem Zivildienst im Rettungsdienst die Ausbildung zum Bestatter zu machen und schließlich das Unternehmen zu übernehmen. Heute ist Herr Keunecke mit seinen 20 Mitarbeitern in Wesel, Issum, Emmerich und Geldern vertreten. Das Institut in Geldern hat er im Jahr 2017 vom Bestatter Spolders übernommen.

Natürlich nehmen verschiedene Todesfälle ihn auch menschlich mit, wie wir erfuhren, gerade dann, wenn Kinder verstorben sind. Im Team wird über solche Themen gesprochen, dies macht das Verarbeiten leichter, so Herr Keunecke. Auch hat er das Gefühl, dass er das Leben intensiver lebt als viele Altersgenossen, bei denen der Tod eher ein Tabuthema ist. Zudem ist Herr Keunecke dankbar dafür, den Verstorbenen einen letzten Dienst erweisen zu dürfen.

Wir wollten wissen, welche Aufgaben ein Bestatter hat, wie sein Alltag ausschaut und wie er – vor allem vor dem Hintergrund unseres Themas Hospizarbeit – konkret Familien unterstützen kann, in denen ein Angehöriger sterbend ist bzw. schon verstorben ist. So erfuhren wir unter anderem, dass jeder Tag anders ist und neue Herausforderungen und Begegnungen mit sich bringt, was den Beruf so abwechslungsreich macht. So wie jeder Tag unterschiedlich ist, so ist jeder „Sterbefall“ individuell. Das Ziel der Bestatter ist es aber immer, die allerletzten Wünsche der Verstorbenen und auch die der Angehörigen zu erfüllen. Als Beispiele nannte er uns die in einer Patientenverfügung/Vorsorgevollmacht festgelegte Art der Bestattung oder die von Eltern gewünschte, letzte Waschung eines verstorbenen Kindes.

Im übertragenen Sinne sei, so Herr Keunecke, seine Arbeit rund um die Beerdigungen als eine Art „Eventmanagement“ zu sehen. So werde er von den Angehörigen eines Verstorbenen kontaktiert, es werden Wünsche bezüglich der Durchführung der Beerdigung geäußert, die Feier in Absprache mit Geistlichen oder freien Trauerrednern gestaltet, Musik ausgesucht, eine Traueranzeige formuliert, eine Gaststätte für den Beerdigungskaffee ausgesucht und vor allem dafür gesorgt, dass ein Sarg in spätestens zehn Tagen und eine Urne in spätestens sechs Wochen beigesetzt wird. Wenn es einen Verstorbenen gibt, der keine Angehörigen hat, sind alle Absprachen mit dem Ordnungsamt zu treffen, welches die Beerdigung dann übernimmt.

In dem Bestattungsinstitut von Herrn Keunecke arbeiten auch Trauerbegleiter. Gerade wenn Kinder von einem Todesfall betroffen sind, kommen sie zum Einsatz. Hier ist ein gesunder Umgang mit den Kleinen wichtig. Was Herr Keunecke uns dazu in Kürze mit auf den Weg gab: Man sollte Kinder immer mitnehmen und ihnen auch nicht vorenthalten, dass eine geliebte Person nicht mehr hier ist und auch nicht mehr zurückkommt. Die Trauerbegleiter gestalten den Tod und den möglichen Besuch des Sarges kindgerecht. So dürfen Kinder beispielsweise nicht selten auch den Sarg oder die Urne bemalen. Die Kleinen dürfen auch im Sarg mit ihren Spielsachen spielen und mit dem Verstorbenen sprechen. Wichtig ist auch, dass die Kinder gefragt werden sollten, ob sie bei der Beerdigung dabei sein möchten.

Besonders beeindruckt waren wir von Herrn Keuneckes Erfahrungsbericht zu seinem erst vor wenigen Wochen erfolgten Auslandseinsatz als Thanatopraktiker.So reiste Herr Keunecke nach dem schweren Erdbeben in der Türkei Anfang Februar mit vielen weiteren Bestattern ehrenamtlich in das Katastrophengebiet. In einer Stadt, rund 200 Kilometer entfernt von der syrischen Grenze, half er in einer Turnhalle täglich 500-600 Verstorbene zu identifizieren, zu waschen und desinfizieren. Von der Turnhalle aus wurden diese auf Friedhöfe gebracht und beerdigt. Zudem unterstützte Herr Keunecke bei der Bergung der Verstorbenen in den Trümmern. Das, was ihn noch heute belastet, seien vor allem die Bilder im Kopf von kleinen Kindern, die verzweifelt nach ihren Eltern suchten. Zu wissen, dass es kein Wiedersehen gibt und dass die Kleinen ohne Familie leben müssen, traumatisiert. Bei der Verarbeitung dieser Ereignisse helfen ihm vor allem Gespräche mit den anderen Ehrenamtlichen und Supervisionen. Trotzdem sei diese Reise für Herrn Keunecke eine sehr positive Erfahrung gewesen, bei der er seine Arbeit als besonders sinnstiftend erfahren hat. Die Anerkennung und Dankbarkeit der Überlebenden vor Ort werde er auch nie vergessen.

Am Ende gab es noch eine Führung durch das Haus. Uns wurden verschiedene Särge und Urnen gezeigt. Auch betraten wir einen gekühlten Raum, in dem die Leichen so präpariert werden, dass sie würdevoll in den Sarg gelegt werden und von Angehörigen nochmals zur Verabschiedung besucht werden können. Auch in den modern gestalteten Trauersaal durften wir einen Blick reinwerfen, hier können sich Familie und Freunde von dem Verstorbenen verabschieden.

Ein herzliches Dankeschön an Herrn Keunecke für den intensiven Einblick in das Angebot eines Trauerhauses mit all den verschiedenen Leistungen rund um die Vorbereitung, Durchführung und Nachbetreuung von Bestattungen und in die Tätigkeiten eines Bestatters – und ganz besonders für den Bericht über seine Erfahrungen im Erdbebengebiet der Türkei sowie dafür, uns ein bisschen die Angst und vor allem die Unsicherheit rund um das schwere Thema genommen zu haben. Auch bedanken wir uns bei unserem Lehrer Herrn Mäteling, denn ohne ihn hätten wir diese Erfahrungen nie machen und diese Begegnungen während der letzten Wochen, die uns allen noch lange in Erinnerung bleiben werden, nie erleben dürfen.

Text: Michelle Wambold (FH12G2)
Fotos: Andreas Mäteling


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