Hospiz – ein Platz nur zum Sterben? Angehende Fachabiturient/innen zu Besuch im Hospiz Kevelaer-Wetten

Weihnachten im September, Currywurst mit Pommes am Morgen, Trauung ganz ohne lange Anmeldefristen und vieles mehr – was alles an dem Ort möglich ist, wo Menschen sterben

Über mehrere Wochen beschäftigte sich unser FH/12G-Differenzierungskurs Pflege mit dem Thema Palliative Care und Hospizarbeit. Neben unserem Lehrer Herrn Mäteling wirkte Frau Martina Zimmer, Koordinatorin des Malteser-Hospizdienstes Goch/Xanten, aktiv mit.

Im Laufe der Wochen, in denen wir uns theoretisch und praktisch mit den Säulen der Hospizarbeit beschäftigt hatten (psychosoziale Begleitung, spirituelle Begleitung, Palliativpflege und Palliativmedizin) und dabei auch besonders die Möglichkeiten der ambulanten Hospizarbeit und deren Arbeit kennengelernt hatten, wollten wir gerne noch mehr wissen – und zwar, wie Hospizarbeit in einem stationären Hospizarbeit konkret aussieht. Daher haben wir uns am 21.03.2023 gemeinsam auf den Weg nach Kevelaer-Wetten ins dortige Hospiz gemacht.

Die Gründerin und Leiterin Birgitt Brünken, selber ehemalige Schülerin unserer Schule, begrüßte uns herzlich und führte uns in einen großen Raum. Dort standen schon Getränke für uns bereit. Zunächst erzählte sie uns die Geschichte der Gründung „ihres“ Hospizes und warum sie als Krankenschwester den dringenden Wunsch hatte, etwas an der Lebens- und Pflegesituation von Menschen in der letzten Lebensphase zu verbessern. Ein wesentlicher Auslöser war ihre Erfahrung mit einer Patientin, deren Zustand sich so verschlechterte, dass sie ins Krankenhaus musste. Kurz vor dem Sterben wollte sie so gerne ihre Hunde noch einmal sehen, was aber wegen der Hygienevorschriften des Krankenhauses nicht ging. So starb sie schließlich, ohne dass ihr der Wunsch erfüllt wurde.

Dieses Negativerlebnisse beschäftigte Birgitt Brünken sehr. Sie hätte ihrer Patientin diesen kleinen, letzten Wunsch vor dem Tod so gerne erfüllt. Und da sie wusste, dass in einem Hospiz eine besonders bedürfnisorientierte Pflege möglich ist, wurde von diesem Zeitpunkt an ihr Wunsch immer größer, ein solches Haus in ihrem Geburtsort zu errichten. 1997 war es dann schließlich so weit.

Anders als in Krankenhäusern werden die zu versorgenden Personen im Hospiz nicht Patient, sondern wegen der Geschichte von Hospizen (ursprünglich mittelalterliche Pilgerherbergen) Gast genannt. Frau Brünkens „Herberge“ bietet 10 Betten für Menschen mit unheilbaren Erkrankungen und begrenzter Lebenserwartung. Die Zimmer der Gäste haben alle einen Zugang in den Garten, dort können auch die geliebten Hunde frei herumtoben. Ja, auch Haustiere sind im Hospiz willkommen, sei es die Vierbeiner, wie Hunde, Katzen, Kaninchen, oder auch Papageien.

Zudem können auch Angehörige dort einziehen. Für sie gibt es die Möglichkeit, auch im Zimmer des Gastes zu übernachten, oder aber ein separates Zimmer zu wählen. Für die Einrichtung der Zimmer dürfen die eigenen Möbel mitgebracht werden. Ein Genogramm wird als Basis individueller Pflege der Gäste, vor dem Einzug, aufgestellt, um sich der Bezüge zwischen den Familienangehörigen bewusst zu werden und um diese Beziehungen entsprechend zu berücksichtigen. Auch werden Bedürfnisse, Gewohnheiten und Rituale der Gäste ernst genommen, zudem dürfen sie alles tun, was sie wollen. So dürfen sie so lange schlafen, wie sie möchten, auch „dürfen“ sie Currywurst mit Pommes am Morgen essen. Selbstbestimmung in der letzten Lebensphase ist oberste Maxime der Arbeit im Hospiz.

Darüber hinaus ist der Aufenthalt der Gäste für diese kostenlos, sprich die Krankenkasse übernimmt die Kosten für die Pflege und andere Bedürfnisse werden mit Spenden finanziert. Im Hospiz arbeiten neben Frau Brünken als Leiterin viele weitere Pflegekräfte, ein Seelsorger, der regelmäßig ins Haus kommt, und viele Ehrenamtliche. Pro Jahr ziehen ca. 120 Gäste ins Hospiz ein, von denen 115 auch dort versterben. Der längste Aufenthalt betrug ein Jahr, der kürzeste zwei Stunden.

Das Hospiz ist bis zur Übergabe an das Bestattungsinstitut für den Gast zuständig. Bevor ein Mensch aber an ein Bestattungsinstitut übergeben wird, wird das Zimmer der Verstorbenen hergerichtet, eine gestaltete Wand wird aufgestellt, Blütenblätter werden auf der Bettdecke verteilt und Kerzen werden angezündet, damit sich die Angehörigen in einer angenehmen und würdevollen Atmosphäre vom Verstorbenen verabschieden können.

Uns wurden auch spannende und schöne Geschichten aus dem Hospiz in Wetten erzählt (vgl. hierzu den Titel des Artikels), die uns immer mehr deutlich werden ließen, dass das Hospiz vielmehr ein Ort des Lebens als des Sterbens ist. Die Gäste haben meist nur kleine Wünsche vor dem Ende ihres irdischen Lebens. Das Ziel der Mitarbeiter/innen ist es, diese zu erfüllen.
Beispielhaft: Ein junger Mann erkrankte schwer, trotzdem machte er seiner Freundin einen Heiratsantrag. Noch am selben Tag wurde die Hochzeit, ganz offiziell mit Standesbeamten, im Hospiz gefeiert. Vier Tage später verstarb der 26-jährige.

Vergangenes Jahr war im Hospiz ein Gast aus der JVA. Er liebte Weihnachten, aber im Gefängnis erlebte er das warme Gefühl nie. So gerne wollte der Gast noch einmal dieses Fest erleben, doch ob er im Dezember noch am Leben sein würde, das wusste niemand. Somit wurde Weihnachten in den September vorverlegt: Tannenbaum, Schmuck und vieles mehr wurde organisiert und das Fest der Liebe und Freude wurde gefeiert. Auch dieser Herr verstarb wenige Tage später.

Eine weitere Geschichte aus dem Hospiz ist die eines 19-jährigen Mädchens. Sie äußerte kurz vor ihrem Tod den Wunsch, einmal so schön auszusehen wie ihre große Schwester an ihrer Hochzeit. Gerne würde sie das Hochzeitskleid an ihrer Beerdigung tragen. Diesen Wunsch erfüllte die große Schwester. Gemeinsam mit Frau Brünken richtete sie ihre kleine Schwester her und sie zogen ihr genau dieses Kleid an, nachdem die 19-jährige ihren letzten Atemzug getan hatte. Man kann sich vorstellen, dass uns diese Berichte sehr gerührt haben und zugleich nochmal unterstrichen, wie kreativ und bedürfnisorientiert hospizliche Arbeit ist.

Zum Ende hin gab es eine Führung durch das Haus. Uns wurde der Raum der Stille gezeigt, dieser wurde von einer Schülergruppe unserer Schule eingerichtet. Auch der große Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss mit einem Zugang in den Garten fiel uns ins Auge. Dort begegneten wir auch einigen Gästen, die ein freundliches Gespräch mit uns führten. Im Flur hängen einige Bildcollagen, welche das abwechslungsreiche und auch angesichts des Todes lebenswerte Leben im Hospiz widerspiegeln. Am Eingang des Hospizes steht ein Glas mit Blumenblüten, nämlich mit den Blüten, die frisch auf der Bettdecke eines Verstorbenen verteilt und anschließend bei der Übergabe ans Bestattungsinstitut zur Erinnerung an den Gast in das Glas gelegt werden. Nach rund einem Jahr wird dieses Glas geleert und die Blüten werden im Garten verteilt. Somit sind die Gäste etwas länger ein Teil der Herberge, so Leiterin Birgitt Brünken.

Vielen lieben Dank an Frau Brünken und auch an Frau Zimmer, die uns mit ihren Erfahrungsberichten und ihrer Fachkompetenz die hospizliche Arbeit sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich nähergebracht haben!

In den vielen Gesprächen konnten wir alle erkennen, dass uns die unterschiedlichen Eindrücke sehr bewegt haben und wir mit Sicherheit unsere Meinung bezüglich der vermeintlich „schrecklichen“ letzten Lebensphase auf jeden Fall geändert haben.

Text: Michelle Wambold (FH12G2)
Fotos: Andreas Mäteling


Hinterlasse einen Kommentar