Die AH/12 besuchte das jüdische Gemeindezentrum in Düsseldorf

Die Rede Martin Hohmanns, das Flugblatt Jürgen Möllemanns, die allgemeine Zunahme von Antisemitismus gegen Juden in Deutschland und Europa: Aktueller Anlass war also gegeben, um im Politikunterricht der AH/12S2 und AH/12E das Thema Judentum in Deutschland zu bearbeiten. Das Unterrichtsthema sollte aufklären und dazu dienen, der Entwicklung entgegenzuwirken, dass Antisemitismus in Deutschland wieder Platz in den Köpfen findet und salonfähig wird. Im Unterricht wurden Referate vorgetragen, Texte gelesen, Filme geguckt und diskutiert. Nur weiß jeder, der in der Theorie schon mal etwas gelernt hat, dass es bis zur Praxis noch ein weiter Weg ist. Um das Thema also zu vertiefen und den Schülern gelebtes Judentum näher zu bringen, setzte sich Herr Siepe, unser Politiklehrer, mit Herrn Rubinstein, dem Geschäftsführer des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden in NRW in Verbindung.

Auf dem Unterrichtsplan stand nun also ein Besuch des jüdischen Gemeindezentrums in Düsseldorf. In der Landeshauptstadt angekommen ging es Richtung Synagoge. Dort erblickten wir Schüler zuallererst einen Polizeibus, der mit zwei Beamten besetzt war. Dieser Bus, traurig aber wahr, steht jeden Tag am gleichen Platz, um die Sicherheit der jüdischen Gemeinde zu garantieren. Schon im Vorhinein waren die Schüler der Sicherheitsvorkehrungen wegen verdutzt und befremdet. Es wurde vor dem Besuch darum gebeten, doch bitte keine Waffen mitzubringen, um somit auf eine Personendurchsuchung verzichten zu können. Was komisch und unnötig wirkte, war jedoch sehr ernst gemeint.

Am Eingang der Glaubens- und Begegnungsstätte wurden wir dann von Sicherheitsdiensten und Überwachungskameras empfangen. Nach Überwindung aller Barrieren warteten innen ein warmer Tee und ein sehr warmherziger Herr Rubinstein auf die Besucher aus Geldern. Er begrüßte uns sehr herzlich und bot uns, bevor wir in die Synagoge gingen, die nur ein Teil des Zentrums ist, noch eine Kippa, die allseits bekannte Kopfbedeckung für jüdische Männer, an. Im Gotteshaus nahmen wir Schüler in den vorderen Bänken Platz und sahen sich erst einmal um. Herr Rubinstein stellte sich hinter die Bima, ein Pult, das vor den Sitzreihen platziert war, und erzählte uns vom Leben der Gemeinde in Düsseldorf damals und heute. Er erklärte uns den Zweck der Synagoge, die den Juden, wie auch eigentlich die Kirche im Christentum, in erster Linie als Begegnungsstätte dienen soll. Er berichtete von rituellen Abläufen bis hin zu Feiern und Diskussionen, über alles, was in der Synagoge stattfindet.

Am Ende seines humorvollen Vortrages standen viele Fragen der Schüler, die der Botschafter des Judentums zufriedenstellend und ausführlich beantwortete. Er wich auch nicht der Frage aus, wie denn die jüdische Gemeinde Düsseldorf mit dem Thema des Nahostkonfliktes umgehe. Dieser von ihm als tragisch bezeichnete Zustand stünde als offenes Thema zur Diskussion der Gemeindemitglieder und es gäbe verschiedene Meinungen dazu. Generell wünschten sich aber alle, dass die Spirale der Gewalt endlich sich zu drehen aufhöre und dass die Menschen, Israelis wie Palästinenser, gemeinsam in Frieden leben können. Zum Abschluss der Besichtigung zeigte er uns noch die heiligen Thorarollen der Gemeinde und erklärte uns ihre Handhabung und Bedeutung.

Die Synagoge ist aber nicht die einzige Einrichtung, die zum jüdischen Gemeindezentrum Düsseldorf gehört. Nach seinem Vortrag führte uns Herr Rubinstein durch die Straßen Düsseldorfs zur Yitzhak-Rabin-Schule, die circa 5 Minuten Fußmarsch entfernt von der Synagoge liegt. Auch hier Polizeibeamte, Sicherheitsdienst und Überwachungskameras, die zum Schulalltag gehören und von den Kindern, die auf dem Schulhof spielten, gar nicht als besonders außergewöhnlich empfunden wurden. Zu Herrn Rubinstein war inzwischen die Leiterin der Schule, Frau Heidelinde Foster, gestoßen. Während wir durch das Schulgebäude geführt wurden und die Klassenräume betrachteten, erzählte Frau Foster noch etwas über die Schule, die aus 5 Klassen und rund 100 Schülern verschiedener Nationalitäten besteht. Die Schüler werden ganz normal nach den Richtlinien unterrichtet, die für das Land NRW gelten; sie erhalten darüber hinaus aber auch eine Erziehung, die an jüdischen Werten orientiert ist. Das beinhaltet ebenfalls das Unterrichtsfach Hebräisch und besonders im Vordergrund natürlich den Religionsunterricht. Dass das Leben der Schüler von ihrer Religion geprägt ist, konnten wir überall sehen, da wir aus dem Unterricht vertraute Symbole und Bräuche wieder erkannten. Darüber hinaus ist die Yitzhak-Rabin-Schule als Ganztagsschule bildungspolitisch sehr fortschrittlich. Die Führung endete in einem großen Aufenthaltsraum, wo wir Schüler all unsere Fragen und Eindrücke loswerden und uns von Herrn Rubinstein verabschieden konnten.

Vom Sicherheitspersonal geführt, ging es dann weiter zum jüdischen Kindergarten, der sich im selben großen und modernen Gebäudekomplex befindet. Hier machten wir Bekanntschaft mit ganz besonders jungen Menschen jüdischen Glaubens und ihren Erziehern. Auch hier war das Bild, das sich uns bot, deutlich von Religion und kultureller Vielfalt bezüglich der Nationalitäten geprägt. Dann verabschiedeten sich die Schüler vom Gemeindezentrum und bewegten sich wieder in Richtung U-Bahn.

Alles in allem war dies ein für uns Schüler sehr beeindruckender Besuch, der uns ins Bewusstsein gerufen hat, dass die Vergangenheit bis in die Gegenwart wirkt. Zwar wirkten vor allem die Sicherheitsvorkehrungen, die deutlich demonstrierten, wie groß die Gefahr für Menschen jüdischen Glaubens in Deutschland ist, auf uns übertrieben und stießen teilweise auf Unverständnis. Aber wie auch sollte man das als Außenstehender verstehen oder begreifen? Wenn man nie etwas mit Juden zu tun hat, weiß man nicht sonderlich viel über sie, ihre Lebensweise geschweige denn ihre Gefährdung in Deutschland. Zumindest ist einem die Situation nicht so bewusst. Man weiß, dass es fundamentalistische Terroristen gibt, die gegen den Staat Israel und Juden auf der ganzen Welt aktiv sind. Man weiß auch, dass es rechtsradikale Gruppen gibt und man hört, dass jüdische Einrichtungen geschützt werden müssen. Aber wirklich bewusst ist die Gefahr für Juden in Deutschland keinem von uns gewesen. In diesem unserem Land gibt es einen wachsenden latenten Antisemitismus, der aus der Vergangenheit, dem Wesen des Menschen und nicht zuletzt aus der israelischen Politik bezüglich der Palästinenser resultiert. Doch wer sich davon blenden lässt und dermaßen pauschalisiert, hat sich nicht mit der Vergangenheit auseinandergesetzt und aus ihr gelernt. Der Besuch der Klasse war eine kleine Prophylaxe, die dafür sorgen soll, dass die Geschichte sich nicht wiederholt, und die mindestens 50 junge Menschen davor bewahren soll, anfällig für rechte Parolen und deren Folgen zu sein.

Der Besuch war ein kleiner Beitrag zur Verständigung zwischen den Menschen und hat ganz im Sinne unserer Schulzeitung Kontakte zur Anbahnung von Kontakten geführt. In absehbarer Zeit werden interessierte Schüler und Lehrer wieder zum jüdischen Gemeindezentrum fahren und teilhaben am jüdischen Leben in Deutschland, diesmal jedoch im privaten Rahmen. Auch sollen die Makkabi, jüdische Sportvereine, zusammen mit an Sport interessierten Jugendlichen der Liebfrauenschule in Kontakt treten, um möglicherweise sportliche Wettbewerbe auszutragen und um sich auf diese Weise näher zu kommen. Für zukünftige Klassen unserer und sicherlich auch anderer Schulen stehen die Tore des jüdischen Gemeindezentrums Düsseldorf auf jeden Fall offen. Ein solcher Austausch ist auch unbedingt nötig, um sich gegenseitig kennen zu lernen, miteinander zu reden und, am allerwichtigsten, um sich zu verstehen.

Benjamin Westermann (AH/12 S2)
Foto: Mr T


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