Das Pan-Theater zu Gast in der Liebfrauenschule

Am 26. Mai 2004 gastierte wieder einmal das Pan-Theater, bestehend aus den zwei Schauspielern Andreas Peckelsen und Michael Leye, an unserer Schule. Kohle-Kids hieß diesmal ihr Stück, das sich mit Südafrika befasste.

Südafrika, ein Land der Dritten Welt auf dem Weg nach oben. Noch bis vor 15 Jahren herrschte dort die Apartheid, waren Menschen geteilt in schwarz und weiß, arm und reich. 1990 – ob aus Einsicht oder aufgrund von internationalem Druck – hob die weiße Regierung die diskriminierenden Gesetze auf, so dass 1994 in den ersten Wahlen, an denen die Schwarzen gleichberechtigt teilnehmen konnten, ihr Führer Nelson Mandela zum Präsidenten gewählt wurde. 14 Jahre nach dem Umbruch herrscht im Lande jedoch noch immer soziale Ungerechtigkeit, lebt die Mehrzahl der schwarzen Bevölkerung weiterhin in Armenvierteln, während die meisten Weißen in absolutem Wohlstand leben.

Peckelsen und Leye entwickeln ihre Stücke aufgrund von Erfahrungen, die sie selbst auf Reisen gewonnen haben. Im Vordergrund ihrer Südafrikareise stand die Hauptstadt Johannesburg, die sie in all ihren Facetten wiedergaben. Ein kleiner Querschnitt der Gesellschaft bot den Schülern einen Einblick in die Realität vom Leben in Johannesburg. Vom nicht ungefährlichen Nachtleben auf den Vergnügungsmeilen über die wie Hochsicherheitstrakte anmutenden Viertel der Reichen bis zur Armensiedlung Soweto wurde jede Seite der Stadt präsentiert. Überall wo sie waren, interviewten die zwei reisenden Schauspieler die dort lebenden Menschen, um so einen möglichst vielfältigen, realistischen und unabhängigen Blick auf die Situation der Menschen zu bekommen.

So besuchten sie ein Theater junger Schwarzer, das in einer Markthalle angesiedelt ist, und sprachen mit den jungen Schauspielern über ihre Situation und ihr Land, ihre Gedanken, Meinungen und Hoffnungen zu Südafrika. Sie machten auch einen Abstecher in die abgeriegelten Viertel der Reichen, die fernab von aller Realität verschanzt hinter riesigen Betonmauern und Stacheldraht leben, um sich vor Verbrechen zu schützen.

Das Gewaltpotential unter den jungen und verarmten Schwarzen, die oft kriminell werden, ist sehr hoch; oft gibt es Tote, auch wenn der Täter im Prinzip nur auf Geld aus war. So trafen sie eine Familie, Nachfahren holländischer Kolonialisten, und befragten sie, wie sie über die Situation denken und was sie fühlen. Die ältere Generation, sprich der Großvater, sah die Fehler und Ungerechtigkeiten ein, die Jahrzehnte lang begangen worden sind, die etwas Jüngeren hingegen, wie die Mutter, forderten härtere Strafen für Kriminelle.

Von den Reichenvierteln ging’s nach Soweto, einem „Township“, in dem ausschließlich Schwarze leben und die Armut sehr groß ist. Gewalt und Kriminalität bestimmen hier sehr oft das Leben der Menschen. Ohne Perspektiven und Chancen landen die Kinder ziemlich früh in Jugendgangs, die rücksichtslos morden und rauben. In einer Shebeen, einer typischen Kneipe in einer Privatwohnung, ein Erbe der Zeit der Apartheid, in der Kneipen für Schwarze verboten waren, trafen die beiden einen ehemaligen Häftling, der über das Leben im Gefängnis zu berichten wusste.

An einem anderen Ort machten sie die Bekanntschaft eines Jugendlichen, der in einer Mine arbeitete, ein Kohle-Kid, seine Arbeit schwer und fernab jeglicher Vorstellung, die wir von Kinderrechten haben. Doch die Arbeit sichert sein Überleben, sie hat ihn weggebracht von der Kriminalität und hat ihm eine neue Familie gegeben, die anderen Kohlekids. Zusammen schuften Sie Tag für Tag für einen Hungerlohn, doch sie sind füreinander da, sind eine Gemeinschaft. Ein Gefühl, das Kinder in Soweto selten erleben. Für die Dias, die sie von den Kohlekids machten, mussten die beiden Schauspieler bezahlen; klar, es geht ums nackte Überleben, nichts ist umsonst.

Im Vordergrund des Pan-Theaters steht die Absicht, den Menschen hier das Leben in anderen, benachteiligten Ländern der Erde zu zeigen. In Zeiten der Überflutung durch Informationen und Medien, da man kaum noch weiß, was stimmt oder welcher Quelle man glauben kann, ist ein solcher Beitrag für das Verständnis der Welt und der Menschen untereinander sehr wichtig. Auf diese Art Informationen kann man sich verlassen, sie sind authentisch. Andreas Peckelsen und Michael Leye waren selber an den Orten, von denen sie berichten, haben selber mit den Menschen gesprochen und miterlebt, was es heißt, an eben diesem Ort zu sein. Sie sind nicht nur Schauspieler, sondern auch Botschafter, und Menschen.

Text: Benjamin Westermann
Bilder: Mr T


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