Betreuung von Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung

Betreuung von Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung: Die Berufspraktikant*innen der HEP wissen, wie es geht.

„Hat jemand einen Fuß gebrochen oder ist erkältet, wird das auf der Arbeit so akzeptiert. Ist jemand allerdings in psychischer Behandlung, wird diese Person von ihrem sozialen Umfeld abgestempelt oder geächtet – das erleben wir auch bei unseren Klient*innen im Betreuten Wohnen“, so Frau Auler. Mit diesen Worten begann ein sehr offenes Gespräch unserer Klasse mit Frau Auler, einer Expertin für die ambulante Betreuung psychisch erkrankter Menschen, und somit in einem Berufsfeld, in auch wir HEPs künftig tätig werden können.

Frau Auler ist seit 12 Jahren Mitarbeiterin der Diakonie. Die psychischen Erkrankungen und ihre Ausprägungen sind so divers wie ihre Klienten selbst. Selbst die gleiche Diagnose müsse nicht heißen, dass man nach Schema F arbeiten könne. „Es gibt kein Patentrezept für den Umgang mit psychisch erkrankten Menschen.“ Das gilt vor allem auch für die Betreuung von Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung, zu wir im Unterricht schon gearbeitet hatten und wozu wir nun Frau Auler eingeladen hatten, die uns speziell was zur Betreuung von Betroffenen erklären konnte. Die größte Herausforderung im Beruf sei der individuelle Beziehungsaufbau und die -gestaltung zu ihren Klienten. Dies sei laut Frau Auler allerdings auch das Attraktive an der Arbeit. Jeden Menschen neu anzugehen.

Was ist Borderline? Menschen mit Borderline leben Emotionen übermäßig aus. Häufig werden sie sich dem Ursprung ihrer Gefühlserregung aber nicht bewusst. Diese Vertiefung in eine Emotion kann sich bis zur völligen Außerachtlassung der eigenen Angelegenheiten steigern, weshalb eine professionelle Begleitung der Betroffenen notwendig ist. Menschen mit Borderline leiden neben der emotionalen Instabilität auch an der Angst vor sozialen Verlusten (z.B. Beziehungen), was die Beziehungsgestaltung zunehmend erschwert. Ebenfalls charakteristisch für die Erkrankung ist der Wandel in Extremen, auch „schwarz-weiß Denken“ genannt. Beispielswiese möchten Patienten morgens nach dem Aufstehen vor Freude die ganze Welt umarmen, während sie dann nach dem Frühstück bitterlich in Tränen ausbrechen. Viele Betroffene neigen zu einer erhöhten Risiko- bis Hochrisikobereitschaft. Diese äußert sich beispielsweise im exzessiven Geldausgeben, in Raserei oder Klettern ohne Sicherung (z.B. an einem Riesenrad).

Wie sieht die Betreuung aus? Aus unserem sehr intensiven Gespräch werden hier nur kurze Spots wiedergegeben. Die Gesprächsführung mit Klienten macht einen großen Teil ihrer Arbeit aus. Die Herausforderung hierbei liegt darin, dass Nähe und Distanzverhältnis zum Klienten zu wahren, da die sozialen Verlustängste die professionelle Beziehung durch anklammerndes Verhalten des Klienten erschweren können. Die zum Teil plötzlich auftretenden Gefühlsschwankungen machen eine vorsichtige Anbahnung an Gesprächsinhalte notwendig, damit der Klient sich nicht in seine Emotion vertieft. Frau Auler setzt in den Gesprächen darauf, das Verhalten und die Emotionalität ihre Klienten zu spiegeln – und rät auch uns dazu, das zu erlernen. Dadurch erhalten die Klienten einen Perspektivwechsel und sehen ihre Emotion aus einem anderen Blickwinkel. Ein Umgang mit dem Klienten auf Augenhöhe, so Frau Auler, sei das wichtigste an ihrer Arbeit. „Es ist anmaßend zu sagen, ich weiß wie sie sich fühlen.“ Stattdessen sagt sie ihren Klienten: „Ich weiß nicht, wie sie sich fühlen, aber sagen sie es mir und ich versuche ihnen zu helfen.“

Am Ende bedankten wir uns für viele hilfreiche und sehr spezielle Tipps zum Umgang mit Borderline-Betroffenen, von denen hier nur wenige genannt werden konnten, und für den darüber hinaus auch erfolgten ersten Einblick in das Berufsfeld Betreutes Wohnen.

Text: Arne Klümpen
Fotos: Andreas Mäteling


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