Dem guten Geschmack auf der Spur

Das Auge isst immer mit

Die Augen von Daniela und Janine sind hinter einer schweren Augenbinde verschwunden. Ihre Nasen ziehen die beiden faltig nach oben. „Puh, is das bitter!“ meint Daniela

Andreas Kelleter, dessen grau melierten Haare unter einer riesigen Kochmütze verschwinden,kann hingegen sein Schmunzeln nicht verkneifen. Der Küchenmeister aus Kamp-Lintfort, der der Organisation Eurotoques angehört, einer Initiative der europäischen Spitzenköche zur Erhaltung der Ess- und Lebens
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ur, ist diese Reaktion gewöhnt. Zur Liebfrauenschule nach Geldern hat er sich mit einer Vielzahl von Probierschüsseln aufgemacht, um die Geschmackspapillen der angehenden Abiturienten des Schwerpunktes „Ernährungswirtschaft“ zu sensibilisieren.

Auf dem Programm des Eurotoques-Parcours steht auch eine Geschmacks-Blindprobe. Die Schüler des Leistungkurses Ernährungslehre mit Chemie testen sich hier durch frische Küchenkräuter, saftige Zitronenfilets, rohe Schinkenwürfel und süß-bittere Orangenkonfitüre durch. Erstaunliches Ergebnis: Die individuelle Geschmackswahrnehmung der Schüler unterscheidet sich enorm. Empfinden einige von ihnen die quadratischen Emmentalerwürfel noch als salzig bis süß, schmecken diese anderen eher bitter bis aromatisch-scharf.

Für Andreas Kelleter ist das nichts neues. „Wir wollen mit unseren Kursen den Geschmack der Jugendlichen sensibilisieren!“ Die Fast-Food-Kultur ist den Jüngern von Paul Bocuse ein Dorn im Auge. Die Eurotoques-Chefs, unter ihnen auch Andreas Kelleter, haben es sich daher zur Aufgabe gemacht, gegen den Missstand der Esskultur anzutreten. Bei den angehenden Abiturienten der Liebfrauenschule stößt er mit seinem Anliegen auf offene Ohren. Zwei Wochen lang hatten sie sich in einem Projekt des Leistungskurses mit den Geschmackswahrnehmungen beschäftigt. Die Ergebnisse, die sie hier gewonnen haben, decken sich mit denen des Geschmacksseminars.

„Ob es uns schmeckt, hängt aber entscheidend auch von unseren Augen ab!“ weiß Sarah Geraths zu berichten. So hat sie mit ihren Mitschülerinnen in dem Projekt die Probe aufs Exempel gemacht. Fruchtige Bananen-Milch-Shakes haben sie gemixt, zum Teil mit Aroma- bzw. Farbstoffen versetzt und in puncto Geruch und optischer Eindruck einer Probandengruppe zur Verkostung präsentiert. Annika Gehrke hierzu: „Auch wenn die Farbstoffe erwiesenermaßen geschmacksneutral waren, meinten einige, dass die Shakes anders schmecken als normal!“

Wie sehr die Fantasie gekitzelt wird, wenn die Farbe anders ist, bestätigt auch Teresa Hengstermann: „Unser grün eingefärbter Apfelsaft ging glatt für Waldmeister und bei einigen sogar als Kirschsaft durch!“ Und ihre „Kollegin“ ergänzt: „Erstaunlich: Eine Reihe unterschiedlich stark konzentrierter Lösungen wurde von uns Schülern zum Teil deutlich anders wahrgenommen!“ Das mag genetisch bedingt sein, aber der Eurotoques-Küchenmeister hat auch eine andere Erklärung parat: „Durch den Genuss von Instantprodukten und viel fast Food stumpfen die Geschmachssinne ab und bedürfen einer Wiederbelebung!“ Widerlegt werden kann seine Meinung nicht.

Hk


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