Impuls zur Karwoche oder: Was haben Kronen eigentlich mit Ostern zu tun?

Vor ein paar Tagen kam ich auf einen vielleicht etwas sperrigen Gedankengang. Aber das sei in dieser besonderen Zeit einmal erlaubt. Als Kind hatte ich mal einen Fahrradunfall und habe mir bei diesem Unfall einen Schneidezahn abgebrochen. Seitdem trage ich dort eine Krone. Und Anfang des Jahres haben mein lieber Zahnarzt und ich beschlossen, dass es mal Zeit für eine neue Krone ist. An dieser wird nun seit Anfang Februar herumgewerkelt, da Zahntechniker, Zahnarzt und ich natürlich ein optimales Ergebnis erzielen wollen, was Form und Farbe dieses Frontzahnes angeht. Und so hat es sich ergeben, dass ein Thema, dass mir neben Corona geblieben ist, die Beschäftigung mit dieser Krone ist, die derzeit provisorisch festgeklebt, immer mal wieder rausfällt oder die Frage hinterlässt, wann die Arbeit an der Krone wohl – nach Corona – abgeschlossen werden kann. Ich vermute, du weißt schon, worauf ich hinauswill. Corona und die Krone – eigentlich dreht es sich bei mir doch nur um eins, ist doch Corona das lateinische Wort für Krone. Und das führte mich zum Gedanken, den vierten Impuls als Osterimpuls als Gespräch mit Christian Olding über die Bedeutung von Kronen für die Ostertage zu gestalten.

Barbara: Auf einer Tafel am Kreuz Jesu Christi wird als Grund für seine Verurteilung angegeben: Jesus von Nazareth, König der Juden. Könige tragen Kronen. Was bedeutet Dir die Bezeichnung König in diesen Tagen?

Christian Olding: Jesus als König und Weltenherrscher heißt für mich: es gibt einen, der diese Welt hält und trägt in all ihrem Chaos. Über Ohnmacht und Niederlagen, über Leiden und Schmerz, auch über Schuld und Versagen ist noch nicht das letzte Wort gesprochen. Das behält kein Virus, kein Krieg, das behält nur dieser König.

Barbara: Jesus kommt als Kind völlig ohne Herrschaftsinsignien zur Welt, er stirbt als Mann am Kreuz. Wie passt das zusammen mit dem Bild vom König und Weltenherrscher?

Christian Olding: Es geht bei uns Christen eben um ein demontiertes Königtum. Dort am Kreuz hängt nämlich unser König und Herrscher. Es ist ein Mahnmal, dass Gott die Freiheit des Menschen respektiert. Im Geschick Jesu zeigt sich, dass Gott es aushält, von Menschen abgelehnt und hingerichtet zu werden. So wird das Kreuz zum großen Manifest der Freiheit in der Religion. Das Kreuz durchkreuzt aber nicht nur unsere Bilder und Vorstellungen von Gott. Es streicht auch unsere Bilder vom Menschen durch. Denn das einzig Begehrenswerte in unserer Kultur ist nur eines: Jugend und Schönheit. Das Kreuz mutet uns ein ganz anderes Bild zu: Ein gebrochener Mensch, ohnmächtig, leidend. Ein Bild, das uns daran erinnert, wozu Menschen fähig sind. Ein Bild der Vergänglichkeit und des Todes.

In einer Gesellschaft, in der Leiden und Tod üblicherweise – wenn nicht gerade Corona herrscht – verdrängt werden, wird das Bild eines Gekreuzigten zur Provokation. Aber wir brauchen genau dieses Bild, um menschlich zu bleiben. Wer sich von dem Anblick des Gekreuzigten betroffen fühlt, der weiß um die Zerbrechlichkeit des eigenen Lebens, vom Ungenügen, vom menschlichen Mangel. Wer sich vom sterbenden, schmerzerfüllten Mann am Kreuz angesprochen fühlt, der weiß von Neid, Gewalt und Unfrieden. Nur wenn wir uns daran erinnern lassen, bleiben wir human.

Das ist die Herrschaft Gottes: seine unvorstellbar große Liebe zu uns Menschen, eine Liebe, die so groß ist, dass sie sogar auf das eigene Leben und das eigene Glück verzichtet. Gottes Herrschaft bedeutet: Wenn es dir auch noch so dreckig geht, schau auf das Kreuz, es gibt einen Weg. Wenn du dich in deinem Leben mit deinen Problemen, Sorgen, Leiden nicht mehr zurecht findest, dann schau auf das Kreuz und es sagt dir: Gott ist für dich da, er holt dich aus der finsteren Grube, aus der du allein nicht mehr herauskommst, auch dann, wenn es sein eigenes Leben kostet. Er selbst ist für dich in die finstere Grube hinabgestiegen.

Barbara: Dass die Erinnerung an unsere Endlichkeit nicht nur Egoismus, sondern vor allem auch viel Humanität zutage bringt, zeigt uns die aktuelle Krise auch. In dem Zusammenhang: Was ist dir gerade lieber, was passt besser in diese Krise? Einfache Menschlichkeit oder starke Herrschaft?

Christian Olding: Dazwischen gibt es keinen Unterschied! Die vergangenen Wochen haben doch vor allem eines gezeigt, dass pure und echte Menschlichkeit den größten Impact, also die stärkste Herrschaft über uns hat: Die klatschenden Menschen auf dem Balkon, die erschöpften Pflegekräfte, die einkaufenden Jugendorganisationen, die Seelsorgenden an der Seite in Quarantäne eingeschlossener Infizierter. Wen das kalt gelassen hat, der hat ein echtes Problem.

Barbara: Das Coronavirus hat ja seinen Namen, weil auf seiner Hülle Zacken zu sehen sind, die aussehen wie die Zacken einer Krone. Zum Spott wird Jesus „geschmückt“ mit einer Dornenkrone. Findest du es passend, hier eine Verbindung zum Coronavirus herzustellen? Dabei handelt es sich ja wohl auch eher um eine Dornenkrone als um eine Krone, die irgendetwas mit Königswürde zu tun hat.

Christian Olding: Die Dornenkrone diente dazu, Jesus zu verspotten und ihn seiner Würde und Menschlichkeit zu berauben. Das Coronavirus stellt unseren Alltag aktuell ziemlich auf den Kopf und wird im Nachgang gewaltige Anfragen und Herausforderungen an unser gesellschaftliches Miteinander stellen. Denn noch weiß keiner, was für Verteilungskämpfe und Auseinandersetzungen auf uns warten. In diesem Sinne trägt das Virus wohl zurecht seinen Namen.

Barbara: Wenn wir schon einmal das Wort Corona untersuchen… Die katholische Kirche hat eine Heilige wiederentdeckt, die als Schutzpatronin gegen Seuchen gilt: die heilige Corona. Auch sie trägt ihren Namen aus Übersetzungsgründen als „die Gekrönte“. Kannst du mit dem Gebet zur heiligen Corona etwas anfangen?

Christian Olding: Wie bei jedem Gebet geht es darum, sich klar zu machen, dass es mehr gibt als die Umstände. Da ist ein Gott, der mir zur Seite steht. Es gibt einen Halt in all meiner Not. Gott wartet nicht jenseits des Dunkels, sondern in ihm. Die Heiligen stehen seit jeher dafür, den Menschen an diese Gewissheit zu erinnern. Wenn also die heilige Corona in einer Situation von Krankheit und Seuche die Menschen daran erinnert hat, dass es Gott gibt, dann ist sie für unsere Situation wohl nicht die unpassendste Figur und Vorbild.

Barbara: Und zuletzt: Was wünschen wir der Schulgemeinde zu Ostern? Bitte verwende die Worte Corona, Krone und Auferstehung für deine Wunschbotschaft.

Christian Olding: Trotz Corona immer schön die eigene Krone richten und darauf vertrauen, dass die Auferstehung recht behält: Am Ende wird alles gut!

Christian Olding und Barbara Roghmanns
Foto: Barbara Roghmanns


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