Das Leben als Achterbahnfahrt: Einblicke in die Betreuung von Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung

Am 06. Februar bekamen wir, die FH12G3, im Psychiatrieunterricht Besuch von Frau Auler, die als Bezugsbetreuerin im Betreuten Wohnen der Diakonie für psychisch – und suchtkranke Menschen arbeitet. Betreutes Wohnen ist ein ambulantes Angebot für Männer und Frauen ab dem 18. Lebensjahr, die aufgrund sozialer und gesundheitsbedingter Schwierigkeiten ihre problematische Lebenssituation nicht ohne fremde Hilfe bewältigen können.

Sie arbeitet mit Klienten, die unter psychischen Störungen, wie z. B. Borderline-Persönlichkeitsstörung, Schizophrenie, Angsterkrankung und Depressionen leiden, aber auch jene mit Suchterkrankungen, wie z. B.Alkohol / Drogensucht. Häufig aber liegen bei Klienten sowohl eine psychische als auch eine Suchterkrankung gleichzeitig vor.

Frau Auler betreut zurzeit 15 Klienten mit Suchterkrankungen und/oder anderen psychischen Problemen. Die meisten Klienten brauchen die Hilfe, die ihnen durch das Betreute Wohnen gegeben wird, ein Leben lang. Alle Klienten suchen auf freiwilliger Basis Hilfe auf. Sie werden nicht gezwungen, sondern ihnen wird empfohlen, sich Hilfe zu suchen. Dies passiert über Kliniken, gesetzliche Betreuer, aber auch über bereits betreute Klienten.

Da wir uns im Psychiatrieunterricht intensiv mit dem Thema Borderline beschäftigt hatten und uns dies auch besonders interessiert hat, kam Frau Auler speziell zu einem Gespräch mit dem Schwerpunkt Betreuung von Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung zu uns. Die zuvor im Unterricht theoretisch besprochenen Inhalte zum veränderten Verhalten und Erleben bei dieser Störung, die wir auch am Beispiel eines sehr bewegenden Films mit dem Titel „Allein“ verdeutlicht bekamen, beschrieb Frau Auler eindrucksvoll mit ihren konkreten Beobachtungen aus der Betreuung von Betroffenen, deren Leben einer Achterbahnfahrt gleicht, die außer Kontrolle geraten ist. So ist ihr Leben geprägt von häufigen, extremen Stimmungsschwankungen und einem sehr impulsiven Verhalten mit fehlendem emotionalen Gleichgewicht und sehr instabilen Beziehungen.

Es blieb aber nicht bei Beschreibungen, sondern sie erklärte uns auch, worauf man im Umgang mit Betroffenen achten sollte und wie man sie therapeutisch unterstützen kann. So stellte sie uns z. B. das Gruppentraininigsprogramm STEPPS vor. STEPPS steht für Systematic Training for Emotional Predictability and Problem Solving. Hierbei lernen die Klienten, emotionale Stabiliät zu entwickeln und das Lösen von Problemen wird systematisch trainiert.

Viele Personen, die an Borderline oder anderen psychischen Krankheiten leiden, werden oft in eine Schublade gesteckt und von der Umgebung anders behandelt und nicht selten auch mit abstoßenden Kommentaren, worunter sie laut Frau Auler sehr leiden. Viele Menschen reagieren auch klischeehaft auf Borderline-Betroffene und sagen „Ach, das sind doch die, die sich immer selber verletzen“, was aber längst nicht so pauschal stimmt. Auf einige aber trifft es zu, die damit versuchen, eine innere Anspannung, oder wie viele Betroffene sagen, um „Druck“ loszuwerden oder um sich selber überhaupt zu spüren. Das sogenannte Ritzen ist aber nicht die einzige Art, um den „Druck“ abzubauen. Einige fahren auch sehr risikoreich Auto, neigen zu Drogenmissbrauch (vor allem Alkohohl), zu häufigem Wechsel von Sexualpartnern oder haben Probleme beim Umgang mit Geld und machen Schulden. Einige der Klienten von Frau Auler haben ein finanzielles Problem. So sind Schulden auch in Höhe von 1000 € und mehr nicht selten.

Die Schilderungen der sehr konkreten Beispiele aus dem Leben von Betroffenen haben uns gezeigt, mit welch leidvollem Erleben diese psychische Störung verbunden ist und zugleich aber auch deutlich gemacht, dass mit fachlich kompetenter Betreuung und verhaltenstherapeutischen Methoden, wie z. B. der Dialektischen Behavioralen Therapie, geholfen werden kann.

Was vor allem hängen geblieben ist: Es ist als Freundin oder Freund einer betroffenen Person wichtig, sich professionelle Hilfe zu holen, sich mit anderen Angehörigen von Betroffenen zu vernetzen und die Betroffenen in der Therapie verständnisvoll zu begleiten, wobei aber immer auch das eigene Wohlergehen im Blick zu behalten ist!

Über die Vertiefung unserer Kenntnisse zum Thema Borderline hinaus, war es für uns auch interessant, etwas über den Arbeitsalltag einer Bezugsbetreuerin im Betreuten Wohnen zu erfahren, wo neben Sozialarbeitern auch Sozialpädagogen, Erzieher und Heilerziehungspfleger tätig sind bzw. sein können. Daher ist das Berufsfeld nicht eingeschränkt, sondern breit gefächert, und kann mit den unterschiedlichsten Ausbildungen ausgeübt werden. Manche von uns möchten nämlich Soziale Arbeit studieren und nutzten den Besuch von Frau Auler gleich noch als ergänzende Berufsberatung. So war dieser Expertenbesuch gleich in doppelter Hinsicht gewinnbringend für uns.

Text: Anna Kropp (FH/12 G3)
Fotos: Andreas Mäteling


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