Mit Herz und Seele für Menschen mit Behinderungen im Einsatz

Mit Herz und Seele für Menschen mit Behinderungen im Einsatz:
Ein Expertenbesuch zum Thema Religion in Einrichtungen der Behindertenhilfe

Gleich zu Beginn des neuen Kalenderjahres bekamen wir, die HEP/U, Besuch von Frau Kalscheur, die seit 30 Jahren als Heilpädagogin und seit einigen Jahren zusätzlich als weitergebildete Seelsorgerin in der Begleitung von Menschen mit Behinderungen im St.-Johannes-Stift in Kranenburg arbeitet. Frau Kalscheur ist im gruppenübergreifenden Dienst dieser Wohneinrichtung für den Bereich der Tagesstruktur tätig. Das heißt, dass sie mit Bewohnern der verschiedenen Wohngruppen Aktivitäten durchführt. Dazu gehören Förder-und Projektarbeiten, Kreativ- und Bewegungsangebote, Ausflüge und vieles mehr.

Das St. Johannes-Stift ist eine Einrichtung in Trägerschaft der Caritas und verfolgt somit das christliche Leitbild, welches sich vor allem mit der Würde, dem Respekt und der Haltung eines jedem Menschen befasst. Im Religionsunterricht hatten wir uns zuvor mit dem Thema Menschenbilder und Leitbilder auseinandergesetzt und nun besuchte uns Frau Kalscheur, um uns am Beispiel ihres Hauses und ihrer Person zu zeigen, was es im Alltag einer Wohneinrichtung heißt, ein Leitbild auf der Basis des christlichen Menschenbildes zu haben, und wie das Thema Religion ganz konkret eingebracht werden kann.

Viele Bewohner des St.-Johannes-Stifts freuen sich auf das Feiern und auf die Feste im (kirchlichen) Jahreskreis, wie wir erfuhren, und gestalten diese gerne mit. Deshalb wird beispielsweise jeder Wohnbereich entsprechend dekoriert. So spielt zum Beispiel das gemeinsame Gestalten des Weihnachtsbaumes und das Aufstellen der Krippe eine große Rolle. Jeder Bewohner soll zudem die Möglichkeit haben, an Gottesdiensten teilzunehmen oder auch bei diesen mitzuwirken. Drei Bewohner sind zum Beispiel Messdiener und viele singen gerne bei den Messen mit.

Frau Kalscheur stellte uns auch vor, wie Gottesdienste inklusiv gestaltet werden, in dem zum Beispiel biblische Texte in Leichter Sprache oder auch Bildkarten eingesetzt werden. Zudem werden Rollenspiele vorbereitet, um die Geschichte des jeweiligen Festtages zu verdeutlichen. Dabei werden verschiedene Symbole genutzt, damit das Rollenspiel für jeden verständlich ist. Beispielsweise wird bei dem Tod und der Auferstehung Jesu mit Dunkelheit und Licht gearbeitet.

Für Bewohner, die auf Grund ihrer Behinderung eher zurückhaltend sind, gibt es so die Möglichkeit, aktiv mitzuwirken und vielleicht sogar mal im Vordergrund zu stehen, was wiederum die Selbstwirksamkeit und das Selbstwertgefühl stärkt. Immer werden bei den Planungen die verschiedenen Ressourcen, sprich Fähigkeiten, der Bewohner genutzt und es wird nach den jeweiligen Interessen eines Einzelnen gehandelt.

Wichtig ist es Frau Kalscheur, und dazu motivierte sie auch uns mit Blick auf unsere künftige Tätigkeit als Heilerziehungspfleger/in, nach außen zu gehen (Stichwort für „Insider“: Sozialraumgestaltung) und die Menschen, die im Wohnheim leben, und die Nachbarschaft zusammen zu führen. So sind alle Gottesdienste im St.-Johannes-Stift öffentliche Gottesdienste, auf die in der Pfarrgemeinde Kranenburg hingewiesen wird. Außerdem fand wiederholt der „Lebendige Adventskalender“ statt, eine Aktion, die durch einen Anstoß des Wohnheimes für die Pfarrgemeinde ins Leben gerufen wurde, bei dem Familien, die in der Gemeinde Kranenburg leben, in regelmäßigen Abständen zu einem adventlichen Impuls, neben anderen Organisatoren und Orten, auch ins St.-Johannes-Stift eingeladen werden.

Ein weiterer Baustein, wie hier das christliche Leitbild sichtbar gemacht und gelebt wird, ist die Art und Weise, wie Trauerarbeit gestaltet wird.
So legen die Mitarbeiter und Frau Kalscheur großen Wert darauf, dass jeder Bewohner, der im Sterben liegt, so lange es geht und nach Möglichkeit bis zum letzten Atemzug im Wohnbereich verbleibt. Einige Mitarbeiter wurden in der Hospizbegleitung geschult und stehen allen anderen dabei unterstützend zur Seite, so dass für den Sterbenden Vertrautes und die nötige individuelle Fürsorge und Betreuung gewährleistet ist.

Wenn es dazu kommen sollte, dass ein Bewohner verstirbt, wird darauf geachtet, dass die Beerdigung so individuell wie möglich gestaltet wird und Mitbewohner soweit wie möglich und vor allem auch wie gewünscht, aktiv einbezogen werden. Frau Kalscheur ist es sehr wichtig, dass auch über den Tod hinaus die Persönlichkeit des Menschen erhalten bleibt. In diesem Zusammenhang wies Frau Kalscheur auch darauf hin, dass eine ehemalige HEP-Klasse unserer Schule mit ihrer Arbeit im Religionsunterricht einen wesentlichen Beitrag zur Einführung einer Hospizkultur im St.-Johannes-Stift geleistet hat. Das hörte sich interessant an und weckte unser Interesse, uns in der Oberstufe vertiefend damit auseinander zu setzen, um mehr zum Umgang mit Sterbenden und Trauernden zu lernen.

Während des gesamten Besuches von Frau Kalscheur merkte man, wie sie in ihrer Arbeit aufgeht. Mit dem Inhalt und vor allem auch der Art ihres Auftretens in unserer Klasse hat sie uns absolut begeistert. Danke für diesen Besuch, der uns gezeigt hat, wie es gehen kann, ein Leitbild nicht zum bloßen Stück Papier werden zu lassen, sondern es engagiert mit Leben zu füllen!

Bezogen darauf, dass Frau Kalscheur am Ende feststellte, doch so manches Mal von ihrem Redemanuskript abgewichen zu sein, brachte es eine meiner Mitstudierenden auf den Punkt, als sie sagte:
,,Besser vom Herzen als vom Blatt!“
– und bei Frau Kalscheur kam spürbar wirklich alles vom Herzen!

Text: Manou Fischer (HEP/U)
Fotos: Leonie Laufenburg (HEP/U)


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