Individualität ist für uns ein Tuwort

Die Schülerinnen und Schüler der AH/13F lernten in Bochum die Web-Individualschule kennen. Das Konzept begeisterte.

Am 13.2.2020 machte die AH/13F einen Ausflug mit dem Zug zur Web-Individualschule in Bochum. „Auf jeden Fall cool, dass wir das gemacht haben“, resümierte Lara Praest, „denn wir lernten in Bochum eine wirklich sehr besondere Schule kennen.“

Empfangen wurden wir, völlig durchnässt vom strömenden Regen, mit Kakao, Latte macchiato, Cappuccino, belegten Brötchen und vielen vielen Süßigkeiten im Foyer der Schule. Nicht nur diese liebevoll zubereiteten Aufmerksamkeiten brachten uns die besondere Atmosphäre in dieser Schule näher, auch die Gestaltung der Räumlichkeiten und die Freundlichkeit aller Mitarbeiter schienen uns in eine Welt ganz ohne Neid, Missgunst und Hass zu entführen.

Eine Kletterwand, so dass man selbst entscheiden kann, ob man lieber in den ersten Stock klettert oder doch die Treppe nimmt, Kickertisch, Minigolfstation und Turnkästen als Sitzgelegenheiten – hier konnten sich die Freizeitsportleiter direkt heimisch fühlen. Dörthe Kallweit findet: „Direkt von Anfang an, als wir in das Gebäude gegangen sind, hat man gespürt, dass das ein total positiv gestimmter Ort ist und alle wirklich nur das Beste für die Schüler möchten. Auch den Schülern hat man angemerkt, dass sie sich total wohl fühlen in dem Unterricht.“ „Diese besondere Schulgestaltung bietet eine super Chance aus dem klassischen Schulsystem herauszustechen“ meint Nick Engbarth. Lara Praest ergänzt: „Ich finde es echt gut, wie die Lehrer es schaffen, mit den Schülern umzugehen und dabei wirklich zu jedem Schüler eine persönliche Bindung aufzubauen. Ich glaube, wenn ich meinen Berufswunsch nicht schon hätte, würde mich die Arbeit an so einer bzw. dieser Schule auch sehr interessieren.“

Aber der Reihe nach. Um was für eine Schule handelt es sich bei der Web-Individualschule? Eins-zu-Eins-Unterricht via Skype, Hausaufgaben werden online verschickt: In der Webschule werden Schüler online unterrichtet, die aus den unterschiedlichsten Gründen von der Schulpflicht befreit sind, weil eine Beschulung im normalen Schulsystem für sie nicht möglich ist. Das kann durch dauerhafte Krankschreibung aus psychischen oder körperlichen Ursachen begründet sein, aber auch junge Schauspieler oder angehende Profisportler werden hier beschult. Die Normalität der Verschiedenheit spielt hier eine besondere Rolle, denn wirklich jeder Schüler lernt nach einem individuellen Plan. Auch Tom und Bill Kaulitz wurden hier 2008 auf ihren Realschulabschluss vorbereitet.
Bei diesem Ausflug fanden wir ein Konzept, in dem Menschlichkeit eine sehr große Rolle spielt, einen Ort, in dem man entspannt sein kann und eine (andere) Art von Inklusion, die eine wirkliche Eintrittskarte in die Gesellschaft ermöglicht.

Pauline Jockweg fasst die Exkursion für sich folgendermaßen zusammen: „Ich finde, der Besuch in der Webindividualschule war sehr erfolgreich. Ich konnte die Schule und den Unterricht einmal ganz anders erleben. Wir sind es gewohnt zur Schule zu gehen und unseren Tag gemeinsam mit verschiedenen Jugendlichen und Lehrkräften zu verbringen. Es ist normal für uns, persönliche Bindungen aufzubauen und Freunde in der Klasse zu finden. Wir denken nicht darüber nach, dass es auch Kinder und Jugendliche gibt, für die das Ganze nicht so einfach ist oder gar unmöglich. Es ist wichtig, auch einmal darüber nachzudenken und darüber, wie es an unserer eigenen Schule aussieht. Ich finde es erstaunlich, wie viel Gefühl die Lehrer und Pädagogen an dieser Schule haben müssen, um jeden Schüler individuell zu erreichen und zum Lernen zu motivieren. Ich finde es super, dass besondere Schüler so auch einen Schulabschluss machen können und vor allem, dass sie dabei immer noch sie selbst bleiben können. Sie haben die Chance sich weiterzuentwickeln und langsam ihr Lernniveau zu steigern, ganz so, wie es ihnen passt. Sie lernen ganz ohne Druck und können sich so immer wieder ihre kleinen Erfolge beweisen. Außerdem war es sehr beeindruckend zu sehen, wie viel Mut und vor allem Elan hinter dem Aufbau dieser Schule steckt und wie viele Gedanken sich die Gründer der Schule über das Wohl der Kinder machen und dies sogar durch die Gestaltung des Gebäudes zum Ausdruck bringen.“

Anastasia Djurdjevic fand den Ausflug total gelungen: „Ich habe insgesamt vier Schüler im Skype-Unterricht gesehen bzw. gehört und alle haben mich berührt. Ich habe totalen Respekt vor allen, die in diesem Konzept Einfluss haben! Ich glaube, dieses Thema wird mich noch eine lange Zeit beschäftigen!“ Dörthe Kallweit erwähnt: „Alle Lehrer stehen komplett hinter ihren Schülern und unterstützen diese.“

Besonders beachtlich erschien uns an Schulleiterin Sarah Lichtenberger, dass es Men-schen gibt, die nicht einfach so aufgeben. Zilan Cengil zeigt sich ebenfalls beeindruckt: „Um ehrlich zu sein bin ich noch geflasht. Mich hat das total überwältigt, wie offen und herzlich uns die Schule empfangen hat. So eine Gastfreundschaft muss man wirklich schätzen. Hab mich direkt wohl gefühlt und willkommen. Die Schulleiterin ist richtig sympathisch und man hat von Anfang an gemerkt, wie sehr sie ihren Beruf liebt. Sie ist voll dabei. Im Unterricht war ich zuerst bei Ümit Günkaya. Der Unterricht war richtig cool, weil es so flexibel war. Die Lehrer gehen auf die Schüler ein. Es gab dann ein Telefonat mit einem Schüler namens Titus. Der ist 11 Jahre alt und so interessiert gewesen. Die Bindung zwischen Lehrer und Schüler ist persönlich und total locker, was mir am meisten gefallen hat. Titus wusste total viel. Er ist Autist, aber dennoch genau wie wir. Er hat zwar eine Beeinträchtigung, aber das hindert ihn nicht. Deswegen find ich die Schule besonders. Jeder bekommt eine Chance, weswegen viele Klischees einfach mal verschwinden können. Danach war ich bei einem Lehrer aus Straelen, Jörn de Haen. Der hat Phillip unterrichtet. Er ist auch Autist. Wenn ich ehrlich bin, denke ich die ganze Zeit noch an ihn, weil er noch unbedingt zeigen wollte, wie gut er Englisch kann. Ich bin ehrlich. Ich möchte da unbedingt nochmal hin, damit ich ihn im Englischunterricht begleiten kann. Dieses Herzliche und Humorvolle zwischen Lehrer und Schüler ist einfach Hammer. Ich bin ehrlich begeistert von der Schule. Am Anfang hab‘ ich gedacht, dass da vielleicht Leute sind, deren Eltern viel Schulgeld bezahlen, weil die keine Lust auf Schule haben. Aber in der Schule sind die, die das brauchen, die die Chance ergreifen wollen. Die Menschen bekommen eine Chance. Und deswegen klappt das Konzept der Chancengleichheit in der Schule auf jeden Fall. Und auch, dass die Lehrer immer flexibel sind und auf die Schüler intensiv eingehen – irgend-wie fehlen mir noch die Worte.“

Auch Tom Heering ist „total begeistert von dieser Schule und der Meinung, dass man dieses Konzept weiter ausbauen sollte. Das ganze Lehrerteam war total offen, sympathisch und wahnsinnig kompetent.“ Leonie Bongers findet: „Die Webindividualschule ist ein tolles einzigar-tiges Konzept. Die Lehrer sind mit voller Motivation bei ihren Schülern und dadurch sind die Schüler motiviert, sich immer weiter über ihren vorgesehenen Lehrstoff zu informieren. Die Lehratmosphäre ist einzigartig gut und ich persönlich bin sehr begeistert, dass man allen den Eintritt in die Gesellschaft ermöglicht. Erschreckend war es u.a. von ausgegrenzten Schülern und deren schlechten Erfahrungen mit und in der Schule zu hören. Dass Krankheiten bei Lehrern und Schülern Unverständnis und Diskriminierung hervorrufen können, stimmt mich sehr traurig. Umso schöner ist es, für eben diese Schüler einen Ort der eigenen Entfaltung zu schaffen. Es war schön, die Schüler so offen, herzlich und lernbereit zu erleben, da wir oft in der Schule mit dem Gegenteil konfrontiert werden. Das hat mich definitiv inspiriert und ein Stück weit geprägt, weil es mir gezeigt hat, dass man nicht alles als selbstverständlich anse-hen sollte und dass man einen Moment dankbar darüber sein sollte, welche Möglichkeiten uns mit auf den Weg gegeben wurden. Die Lehrer stellen sich auf jeden Schüler neu ein und arbei-ten mit deren Interessen weiter. Sie schaffen einen Mix aus vorgegebenem Lehrstoff und per-sönlichen Interessen und das ist einer der herausstechendsten Punkte, da dies bei der schulischen Inklusion so leider oft nicht funktioniert. Die Lehrer sind nicht nur einfach Lehrer, sondern auch Pädagoge, Seelsorger und vor allem ein Freund, an den sie sich immer wenden können. Dadurch bauen sie eine Verbindung zu den Schülern her. Für diese Arbeit haben sie meinen vollsten Respekt.“

Text und Fotos: Barbara Roghmanns


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