Leben mit Tourette-Syndrom – Erfahrungsbericht eines Betroffenen

Wir Schülerinnen und Schüler aus der Jahrgangsstufe 12 haben in unserem Fach Gesundheitswissenschaften das Thema Seltene Erkrankungen behandelt. Unsere Gruppe, zu der Hannes Laege, Tabea Moeselagen und Jona Wassen zählten, beschäftigte sich dabei vor allem mit dem Tourette-Syndrom. Dazu bereiteten wir einen Vortrag mit den wichtigsten Informationen zur Erkrankung vor, den wir später vor der ganzen Klasse hielten, und luden den selbst betroffenen Herrn Sven Rüger zu einer Gesprächsrunde ein. Der Kontakt zu ihm kam über das Internet zustande, wo er auf der Homepage der Tourette-Gesellschaft als 2. Vorsitzender vorgestellt wurde. Zu unserer Freude ist er unserer Einladung in unseren Unterricht gefolgt.

Aber zuerst ein kurzer Einblick in unseren Vortrag: Beim Tourette-Syndrom handelt es sich um eine Erkrankung des Nervensystems. Treten komplexe vokale und multiple motorische Tics kombiniert mind. 1 Jahr auf, spricht man von dem Tourette-Syndrom. Die Tics treten meist plötzlich und unwillkürlich auf. Zu den Tics gehören u.a. sowohl recht starke Muskelzuckungen als auch mündliche Äußerungen. Über den Tag verteilt treten beim Tourette-Syndrom immer wieder Tics auf, häufig auch in Serien. Wann, wie oft und wie lange die Tics auftreten unterliegt keinem festen Schema.
Teilweise können die Tics auch für Wochen oder Monate aussetzen. Betroffene können die Tics nicht vermeiden, jedoch in vielen Fällen verzögern oder für einige Zeit unterdrücken. Stress, innere Anspannung, freudige oder ärgerliche Erregung sorgen dafür, dass Tics zunehmen. Ist der Körper entspannt, nehmen die Tics eher ab.

Das Tourette-Syndrom bricht in den meisten Fällen im Alter von sechs oder sieben Jahren aus. Verzögert sich der Ausbruch, findet er meist noch vor dem 21. Geburtstag statt. Es ist nach aktuellem Stand der Wissenschaft nicht heilbar. Je nach Schwere der Tics, lassen sie im Laufe der Jahre jedoch nach oder verschwinden sogar ganz. Man kann das Tourette-Syndrom mit dem Niesen oder einem Schluckauf vergleichen. Es ist kurz zu unterdrücken, auf Dauer jedoch nicht. Somit kann ein Teil der Betroffenen häufig ein relativ normales Leben führen.

Anschließend haben wir einen Stuhlkreis mit unserer Klasse und Sven Rüger gebildet, in welchem Fragen an ihn gestellt werden konnten. Sven Rüger ist seit dem dritten/vierten Lebensjahr von Tourette betroffen. Erste Symptome waren laut seinen Angaben ein Zucken mit der rechten Seite des Gesichtes und ein ständiges Räuspern. Seine Familie hat ihn von Beginn an beruhigt und unterstützt. Da er nur eine leichte Form des Tourette-Syndroms hat, kann er ein ganz normales Leben führen. Somit hat er Abitur gemacht und studiert. Er ist viel mit Menschen in Kontakt (durch z.B. Vorträge). Manche Menschen lachen über seine Tics und Kinder gucken interessiert, jedoch ist ihm meist egal, was die Gesellschaft über ihn denkt. Wie andere Tourette-Betroffene kann auch Sven Rüger seine Tics unterdrücken und sie werden schlimmer bei Stress, Freude oder Hektik. Er nimmt keine Medikamente, da diese nicht sein Leben beeinflussen sollen. An seine leiblichen zwei Kinder wurde das Tourette-Syndrom nicht weitervererbt, jedoch leiden zwei seiner Kinder an ADHS. Sie hatten in der Pubertät einige Tics, welche jedoch von allein weggegangen sind. Für uns war es sehr beeindruckend zu erfahren, wie er sein Leben mit der Erkrankung selbst in die Hand genommen hat.

In der Fragerunde kamen wir auch auf den YouTube-Kanal „Gewitter im Kopf“ zu sprechen. Dies ist ein Kanal von dem Tourette-Betroffenen Jan Zimmermann, der in den Videos über die Krankheit spricht. Zu diesem YouTuber gibt es unterschiedliche Meinungen. Sven Rüger persönlich ist der Meinung, dass Jan die Krankheit manchmal ins Lächerliche zieht und er überdenken sollte, ob er damit in der Form Geld verdienen sollte. Dies war vor allem auf den kürzlich erschienen Merchandise von Gewitter im Kopf bezogen. Es wird angeregt, dass die Krankheit in den Videos ernsthafter dargestellt und vermittelt wird und nicht derart übertrieben und reißerisch. Alle derzeit aktiven drei Tourette-Vereine wollen gemeinsam zu diesem Themenkomplex zeitnah ein aus ihrer Sicht sachliches Youtoube veröffentlichen.

Sven Rüger ist Mitglied bei der Tourette-Gesellschaft, informiert in dieser Funktion die Öffentlichkeit über die Erkrankung und unterstützt andere Betroffene mit seinem Wissen und seinen Erfahrungen. Uns hat er einen sehr guten Einblick in sein Leben mit der Erkrankung gegeben, wofür wir äußerst dankbar sind.

Artikel: Hannes Laege, Tabea Moeselagen & Jona Wassen (AH12F)
Fotos: Andreas Mäteling


Hinterlasse einen Kommentar