Ein Vormittag in der Wohnanlage St. Bernardin

Ein Vormittag in der Wohnanlage St. Bernardin – und unser bisheriges Denken war auf den Kopf gestellt

Wir, ca. 30 interessierte Schülerinnen und Schüler aus den drei FH11-Klassen, durften am 1. Juli in Begleitung von Frau Larisch, Frau Rickers und Herrn Mäteling einen wundervollen Vormittag in der Wohnanlage St. Bernardin in Geldern-Kapellen erleben. Dort wurden unsere negativen Vorurteile hinsichtlich Behinderung im Allgemeinen und vor allem auch hinsichtlich der (heilerziehungspflegerischen) Arbeit mit Menschen mit Behinderungen, welche leider zu fest in den Köpfen von uns allen verankert sind bzw. waren, beseitigt und durch neue, äußerst positive Eindrücke ersetzt.

Der Ursprung dieser Exkursion lag in unserem Fach Pflege, in dem wir uns mit verschiedenen Berufsbildern in der Pflege auseinandergesetzt hatten. Wie die Arbeit eines Heilerziehungspflegers im Bereich Wohnen inhaltlich aussieht, hatten wir ja schon im Unterricht durch einen Expertenbesuch erfahren, aber jetzt wollten wir mal einen „Faktencheck“ direkt in der Praxis vornehmen und kennenlernen, wie es in einem Wohnheim überhaupt so aussieht und zugeht.

Schon direkt zu Beginn wurden wir vom Leiter der Einrichtung, Herrn Wilmsen, einer Heilerziehungspflegerin (übrigens auch „eine von uns“ aus der LFS, die schon seit über zehn Jahren dort arbeitet) und einer Bewohnerin namens Renate sehr herzlich empfangen. Vorab wurde uns die Historie der Einrichtung von der Bewohnerin, welche von klein auf dort wohnt, sehr lebendig nähergebracht.

Nachdem wir in zwei Gruppen eingeteilt wurden ging es los mit einer Führung durch die gesamte Einrichtung und deren liebevoll gepflegte Außenanlage. Die Gemeinschaftsräume waren so heimelig eingerichtet, dass sich unsere gesamte Gruppe sofort wohl gefühlt hat. Besonders die kleinen Details, wie die Fotos der Bewohnerinnen und Bewohner in den Gruppenräume und die gut durchdachte Dekoration mit zum Teil eigenen Kunstwerken der Bewohnerinnen und Bewohner sprachen uns sehr an und erzeugten einen harmonischen Gesamteindruck. Dazu fielen uns vor allem die Farbmarkierungen auf jedem Gang auf, die zur Orientierung beitragen. All das hatte so gar nicht die Ausstrahlung, die man vielleicht vermutet, wenn man das Wort Wohnheim hört und die wir irgendwie vermutet hatten.

Die Bewohnerin Renate, die uns mit viel Detailkenntnis mit durch das Haus und die Anlage führte, war sichtlich stolz auf das Foto, welches im Gang direkt am Eingang hing und sie mit ihrem Hund Nici zeigte. Uns beeindruckte, dass es so persönlich zuging und dass die Menschen so individuell hier leben können. Auch über die schön dekorierten Balkone, wovon einer mit einem farbenfrohen Hochbeet verziert wurde, und auf die individuell eingerichteten Zimmer, welche nicht an die typische Krankenhauspflege erinnern, sprach die Bewohnerin Renate voller Stolz und zeigte uns beachtlichen Details, die auch ihren Mitbewohnerinnen und -bewohnern am Herzen liegen. Eines dieser Zimmer wurde uns freundlicherweise zur Besichtigung bereitgestellt, um uns einen besseren Eindruck zu gewähren. Die Zimmer sahen zu unserer Überraschung genauso wohnlich wie unsere eigenen Zimmer zu Hause aus. Einmal mehr wurden unsere zweifelhaften Vorurteile beseitigt.

Nach der Besichtigung der Wohnräume gingen wir in die Außenanlage, wo wir direkt den Innenhof erreichten, in dem die Bewohner sich austauschen und das Wetter genießen können. Die zwei kleinen Hängebauchschweine der Einrichtung wurden uns mit viel Liebe und Informationen nähergebracht. So lernten wir von der Bewohnerin Renate beispielsweise ganz nebenbei, dass das Suhlen im Schlamm dem Insektenschutz dient.

Rund um die Einrichtung gibt es viele kleinere Gebäude, welche für viele vielseitige Projekte genutzt werden. Beispielsweise der Werk- und Gestaltungsraum, in welchem die Bewohner kleine Schmuckstücke herstellen, die besonders gefragt sind und auf dem jährlichen Weihnachtsmarkt verkauft werden. Aber auch andere selbst hergestellte Produkte werden dort zum Verkauf gefertigt.

Ein paar Gebäude weiter befindet sich ein etwas größeres Gebäude, in denen die Bewohner einen Unterhaltungsraum besuchen können. Dieser bietet Ihnen unter anderem einen Flipperautomat, der es auch uns sehr angetan hatte, aber auch einen Fernseher mit einer Wii und weitere Spiele und Beschäftigungsmöglichkeiten. Auch ein buntes „Rick and Morty“-Bild durfte dort nicht fehlen. Einen Raum weiter entdeckten wir einen so genannten Snoezelraum. In der Mitte steht ein Wasserbett, auf das sich besonders bettlägerige Bewohner hinlegen können und anhand von Lichteffekten, Musik oder Gerüchen die Umwelt mit allen Sinnen wahrnehmen können. Dieser Raum hat einen ganz besonderen Eindruck auf uns hinterlassen, da dieser auch den schwerbehinderten Bewohnern eine Möglichkeit bietet, auf eine wunderschöne und für sie angemessene Art Eindrücke und Inspirationen aus der Umwelt vermittelt zu bekommen.

Das Gelände des Wohnheims hat seit letztem Jahr auch eine Art Hotel für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen. Dort können sie Urlaub mit anderen Kindern oder Jugendlichen machen und beispielsweise gemeinsam mit den Betreuern kochen und spielen. Auch die Pflege wird durch moderne Techniken und Geräten unterstützt. Die Wohnräume dieser Einrichtung sind so wohnlich wie ein großes Familienhaus eingerichtet und ermöglichen eine Zeit voller Spiel, Spaß und Gemeinschaft.

In einem großen Torbogen erwarteten uns voller Neugier die zahlreichen Wellensittiche und Nymphensittiche, welche im St. Bernardin ein neues Zuhause fanden. Besonders angetan von den kleinen Vögeln waren Herr Mäteling und die stolze Besitzerin und Vogelpflegerin Renate.

Anschließend durchquerten wir den farbenfrohen Blumengarten. Darunter befanden sich unter anderem auch Blumen, welche kaum mehr vorkommen oder besonders gut für unsere einheimischen Insekten sind. Dieser unterstrich nochmals das Konzept der Einrichtung, dass das Leben im St. Bernardin mehr als nur Pflege ist. Es ist ein Ort des Wohlfühlens und des ganzheitlichen (Er-)Lebens.
Dort war auch der passende Ort für ein schönes Erinnerungsfoto an den eindrucksvollen Tag, der unser Denken über das Leben von Menschen mit Behinderungen und das Arbeiten mit diesen Menschen auf den Kopf gestellt hat.

So können wir zum Schluss sagen, dass es sich sehr gelohnt hat, dort Eindrücke in das Arbeitsfeld Wohnen zu bekommen, in dem viele Heilerziehungspfleger nach ihrer Ausbildung arbeiten. Nach den sehr positiven Eindrücken wunderten wir uns auch nicht, dass sich einige von uns noch vor Ort beim Leiter der Einrichtung wegen eines Praktikumsplatzes erkundigten und noch mehr zur HEP-Ausbildung wissen wollten.

Fotos: Andreas Mäteling, St. Bernardin
Text: Marjolaine Carpantier & Mathilda van Royen (ehem. FH11/G3)


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