Erfahrungen in der „No-Go-Area“

Der Differenzierungskurs „Interkulturelle Religionslehre“ auf Exkursion zur Merkes-Moschee in Duisburg-Marxloh am 05. Juli 2017

Die Türen der Tram schließen sich und wir fahren im Tunnel. Um uns herum haben sich die Menschen verändert. Sie sprechen unbekannte Sprachen, die Frauen tragen Kopftuch, mir gegenüber betet ein Mann lächelnd seine Gebetskette mit den 99 Namen Allahs. Wir sind unterwegs nach Marxloh und die Frage, die am Gelderner Bahnhof ironisch witzig klang: „Sind wir eigentlich versichert, wenn wir verprügelt werden?“, bekommt eine eigenartige Dynamik. Jemand ruft laut etwas auf arabisch oder einer Sprache, die ähnlich klingt. Innerlich zucken alle ein wenig zusammen und sind froh, als die Tram endlich wieder oberirdisch fährt. Alles wird plötzlich wieder ziemlich normal, aber die Ängste, unsere Vorurteile, lassen sich nicht ganz verdrängen. „NO-GO- AREAS“ – so ganz wird man die Vorstellung nicht los.

Und dann befinden wir uns mitten auf der Weseler Straße in Duisburg Marxloh, vorbei an ca. 70 Brautmodenläden und türkischen Spezialitätengeschäften. Kaum noch eine Frau ohne Kopftuch, viele Kinder und ältere Männer und Markus mit der Karte, mit der er uns zur DITIP-Merkes-Moschee führt, eine der größten Moscheen Deutschlands. Frau Ceylan begrüßt uns freundlich und führt uns in den großen Gebetsraum, der Platz für ca. 1200 Menschen zum Gebet bietet. Anschaulich erklärt sie uns die Elemente und kunstvollen Kalligraphien der Moschee, die Herkunft des wertvollen Teppichs und wir dürfen die Waschräume und Veranstaltungsräume sehen. Das ist eine besondere Erfahrung – die Moschee ist groß und hell, die Fenster erlauben den Blick nach draußen und wir fühlen uns auf dem weichen Teppich gar nicht mehr so fremd. Die fehlenden Bilder wirken auf einige wohltuend und die Farben leuchten. Was für ein schönes Gotteshaus.

Frau Ceylan, die als Projektleiterin in der Begegnungsstätte arbeitet, zeigt uns auch noch die Bibliothek, die den drei großen monotheistischen Weltreligionen gewidmet ist und wir sehen zu unserer Verwunderung nicht nur Werke zum Studium des Korans, sondern mehrere Bibelausgaben und christlich-jüdische Schriften. Das Miteinander scheint hier eine große Rolle zu spielen, was wir auch bei der anschließenden Stadtteilführung bemerken. Die Grundschule, die Jugendzentren, die Moschee und die kath. Kirche bilden eine starke Gemeinschaft für den in Verruf geratenen Stadtteil.

Keiner von uns denkt jetzt noch daran, dass wir uns vor eventuellen Schlägern schützen müssen. Merve, Vorsitzende der Jugendorganisation der Moschee, macht uns mit dem starken Netzwerk in dem Stadtteil vertraut, wir sehen eine Hinterhofmoschee und sind auch in einem der wunderbaren und für deutsche Augen oft kitschigen Brautläden (also schon sehr glitzerig, aber auch sooooo schön). Nach einer kurzen Evaluation sind wir schließlich erschöpft, aber froh über die Erfahrung und die neue Sichtweise. Nicht alles ist bestimmt so rosig, wie es uns schien, und auch die politisch-kritischen Fragen haben erst einmal bei diesem Besuch keine Rolle gespielt. Trotzdem sind wir dankbar, dass wir ein offenes Gotteshaus vorgefunden haben und erste Erfahrungen mit einer muslimischen Gemeinde machen durften.

Diese Exkursion hat dem Differenzierungskurs „Interkulturelle Religionslehre“ auf jeden Fall noch einmal einen runden Abschluss gegeben.

Text und Fotos: Ulrike Heintze


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