Jeder Mensch ist einmalig

„Jeder Mensch ist einmalig und besitzt eine von Gott gegebene, unantastbare Würde!“

Welche Ausdrucksformen christlichen Lebens und christlicher Tradition gibt es in Einrichtungen der Behindertenhilfe und was können Heilerziehungspfleger/innen dazu beitragen? Frau Kalscheur aus dem St. Johannes-Stift in Kranenburg sprach darüber mit den angehenden Heilerziehungspflegern der Unterstufe.

In den letzten Wochen versuchten wir im Religionsunterricht ein Verständnis für die Unterschiedlichkeit und Vielfalt von Einrichtungen der Behindertenhilfe vor dem Hintergrund ihrer Leitbilder zu entwickeln. Eines der Leitbilder, mit dem wir uns beschäftigten, war das Leitbild des Caritasverbandes. Hier wurde uns schnell deutlich, dass man als Heilerziehungspfleger/in zur Umsetzung dieses Leitbildes auf der einen Seite Kenntnisse hinsichtlich der Ausdrucksformen christlichen Lebens und christlicher Traditionen benötigt, und auf der anderen Seite auch die Kompetenz, diese mit Leben zu füllen.

Einen Einblick darin, wie dies gehen kann, erhielten wir im Rahmen des Expertenbesuches von Frau Kalscheur. Seit 27 Jahren ist sie als Heilpädagogin im Wohnheim St. Johannes-Stift Kranenburg tätig, in dem 82 Menschen mit mittleren bis schwersten Behinderung leben, und seit einer einjährigen Fortbildung im Jahre 2012 auch als seelsorgerliche Begleiterin für Menschen mit Behinderungen.

Frau Kalscheur arbeitet im so genannten „Mosaik“, dem tagesstrukturierenden Bereich des Hauses. Die Bezeichnung des Bereiches rührt daher, dass dem Konzept nach jeder mit seinen ganz individuellen Ressourcen und Beeinträchtigungen dort seinen Platz findet und erst diese Vielfalt ein schönes Gesamtbild ergibt. Die Angebote im „Mosaik“ finden gruppenübergreifend statt und orientieren sich an den individuellen Hilfeplänen der Bewohner/innen.

Die aktive Seelsorge, die ein wesentlicher Baustein zur Umsetzung des Leitbildes ist, spielt in ihrem Aufgabenbereich eine wichtige Rolle, die, wie sie sagt, neben allem Geplanten oft zwischen „Tür und Angel“ passiert. So ist sie Ansprech- und Kommunikationspartnerin bei jeglichen Freuden und Problemen des Alltags, aber auch bei Besonderheiten, wie zum Beispiel in immer wieder vorkommenden Situationen der Trauerbegleitung. Zur Entwicklung eines Konzepts zur Trauerarbeit hat erst vor zwei Jahren eine HEP-Klasse unserer Schule einen wichtigen Beitrag geleistet, wie Frau Kalscheur uns berichtete.

Einen besonderen Raum nimmt die Planung und Durchführung von Festen und Feiern im Jahreskreis ein. Hier sind vor allem die Feste im Kirchenjahr zu nennen, auf die sich die Bewohner/innen laut Frau Kalscheur immer ganz besonders freuen und die sie tatkräftig mit vorbereiten. Hierzu gehören z. B. Ostern, Weihnachten, St. Martin und Erntedank.

Je nach individuellen Ressourcen sind die Bewohner/innen unter anderem Messdie-ner/innen, tragen Fürbitten in Leichter Sprache vor, führen Rollenspiele zur Auferstehungsszene vor, basteln dafür die benötigen Dekorationen, besorgen Materialien wie z.B. Kürbisse zur Gestaltung eines Erntedanktisches und mehr.

Besonders engagiert sich Frau Kalscheur im Sinne der Inklusion auch für die Vernetzung mit den Einrichtungen der Pfarrgemeinde vor Ort und in der Begegnung der anderen Gemein-demitglieder mit den Bewohner/innen. Dazu nutzt sie beispielsweise die Möglichkeiten des „Lebendigen Adventskalenders“, zu dem die ganze Pfarrgemeinde regelmäßig eingeladen wird. Im Vorfeld werden in gemeinsamer Aktion mit den Bewohner/innen die Fenster thematisch passend gestaltet. Ansonsten nehmen Mitarbeiter/innen mit Bewohner/innen bei anderen Gastgebern der Aktion teil, so dass gute, wertvolle Begegnungen zwischen nicht behinderten Menschen und Menschen mit Behinderung stattfinden. Neben liturgisch-spirituellen Elementen gehören zu diesen Treffen das gemeinsame Singen oder Geschichten hören und das Miteinander bei heißen Getränken und Weihnachtsgebäck. Die im Hause tätigen Heilerziehungspfleger/innen unterstützen dabei tatkräftig.

Aber auch außerhalb dieser besonderen Festzeiten sorgen Frau Kalscheur und ihre Kolleg/innen im Sinne der Inklusion für möglichst viel gemeinsames Tun mit der Pfarrgemeinde, so z.B. im Rahmen von Gottesdiensten, die von Bewohner/innen vorbereitet und durchge-führt werden und zu denen immer auch die Pfarrgemeinde eingeladen ist.

„Jeder Mensch ist einmalig und besitzt eine von Gott gegebene, unantastbare Würde. Dieser Kernsatz unseres Leitbildes sollte all unser heilerziehungspflegerisches und heilpädagogisches Arbeiten lenken. Wir tun unser Bestes, um diesem Anspruch gerecht zu werden. Dabei ist dann immer auch Phantasie und Kreativität gefragt, um diese Überzeugung im Alltag Wirklichkeit werden zu lassen“, so Frau Kalscheur.

Die Menschen werden geachtet, geschützt und es wird Hilfe angeboten, doch steht die Selbstbestimmung immer im Vordergrund. So wies Frau Kalscheur darauf hin: „Wir als Mit-arbeitende sind im Wohnheim „nur“ die Gäste, dessen sollten wir uns immer bewusst sein.“

Am Ende dieses Einblicks in die vielfältige Tätigkeit von Frau Kalscheur stand dann die Möglichkeit, sich einen Überblick über Bücher und Materialien rund um die Themen Fest- und Feiergestaltung, Trauerarbeit mit Menschen mit Behinderungen und mehr zu verschaffen, die wir direkt im Anschluss an diesen Besuch schon gut für unsere Weiterarbeit nutzen können. Denn nach diesem „Appetizer“ waren wir dann gefordert, im Rahmen einer Lernsituation Ideen zur praktischen Umsetzung zu entwickeln und diese theoretisch zu begründen. Frau Kalscheur hat uns gezeigt, wie sinnvoll es ist, sich für die spätere Arbeit in Einrichtungen der Behindertenhilfe auch auf diesem Gebiet kompetent zu machen und wie viel Freude diese Arbeit in der Praxis machen kann. Danke für den so engagierten und motivierenden Einblick!

Text: Lara Kamphuis & Pia Schorn (HEP/U)
Fotos: Andreas Mäteling


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