Die HEP auf neuen Wegen der Theorie-Praxis-Vernetzung

Ein Einblick in die Entwicklung eines Konzeptes zur Gestaltung von hospizlicher Kultur im Wohnheim St. Johannes-Stift.

Mitarbeiter in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung sehen sich zunehmend mit einer Situation konfrontiert, in der Bewohner älter und teils nach langer Krankheit sterben. Damit stellt sich die Frage, wie eine Sterbegeleitung vor Ort aussehen soll, die den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderung gerecht wird (Frau Kalscheur, Seelsorgerin für Menschen mit Behinderung im St. Johannes-Stift Kranenburg).

Genau mit dieser Frage hat sich die HEP/O in den vergangenen Wochen intensiv befasst und im Rahmen einer fächerübergreifenden Lernsituation gemeinsam mit Mitarbeitern der St. Johannes-Stift Kranenburg gGmbH ein Konzept zur Gestaltung einer hospizlichen Kultur erarbeitet. Der Kontakt der Klasse zur Einrichtung bestand bereits seit dem letzten Schuljahr, als Frau Kalscheur im Rahmen des Religionsunterrichtes von ihrem seelsorgerlichen Alltag mit Menschen mit Behinderung berichtete. Nun bot sich durch ein Projekt in diesem Bereich die Möglichkeit, die bereits im letzten Jahr als von beiden Seiten sehr angenehm empfundene Zusammenarbeit zu intensivieren. Die curricularen Vorgaben in der Fachschule für Heilerziehungspflege konnten so in einer unmittelbaren Theorie-Praxis –Verknüpfung für das St. Johannes-Stift gGmbH angewandt werden.

Heilerziehungspfleger sind in ihrer Arbeit sowohl an konzeptionellen Entwicklungen als auch in der praktischen Begleitung sterbender und trauernder Menschen mit Behinderung beteiligt. Gerade der Aspekt der Begleitung stellt für viele Mitarbeiter eine besondere Herausforderung dar, auf die zukünftige Heilerziehungspfleger schon in der Ausbildung und somit frühzeitig vorbereitet werden sollten. Hierzu sollte das geplante Unterrichtsvorhaben einen Beitrag leisten.

Während der letzten Wochen stand daher immer wieder die Theorie-Praxis-Verknüpfung im Vordergrund, die aufgrund der direkten Kooperation einen besonderen Stellenwert erfahren hat. Die Bedürfnisse und Bedarfe der Einrichtung sollten stets im Zentrum der Überlegungen stehen. Aus diesem Grunde fuhren wir zu Beginn der Erarbeitung am 30.01.2015 in die Einrichtung nach Kranenburg. Gemeinsam mit den Mitarbeitern haben wir zunächst eine Bestandsaufnahme vorgenommen, Perspektiven entwickelt und schließlich erste konkrete Umsetzungsideen in den Blick genommen, die im Konzept berücksichtigt werden sollten. Hierzu gehörten zum Beispiel die Gestaltung eines Trauerkoffers, „Checklisten“ für den Notfall oder verschiedene Rituale.

Im weiteren Verlauf des in der Schule stattfindenden Erarbeitungsprozesses wurden grundlegende theoretische Kenntnisse erworben, wie zum Beispiel hinsichtlich der Trauer- und Sterbephasen, der Kommunikation mit Schwerstkranken und Sterbenden, der Bedeutung von Leitbildern und deren Berücksichtigung in der Konzeptentwicklung, der Palliative-Care-Versorgung inklusive spezieller Pflege von Sterbenden und vor diesem Hintergrund in themenspezifischen Kleingruppen praktische Handlungsvorschläge entwickelt. Dabei galt es, die besonderen Bedürfnisse in der Begleitung trauernder und sterbender Menschen in Einrichtungen der Behindertenhilfe im Blick zu behalten. Diese fachlichen Inhalte sollten von den Studierenden bei der Konzepterstellung kontinuierlich berücksichtigt werden, weshalb sie zu verschiedenen Zeitpunkten hinsichtlich des Grades der Berücksichtigung überprüft wurden.

Bevor aber die Arbeitsergebnisse dem Kooperationspartner vorgestellt werden sollten, verständigten sich die Studierenden mit dem Ziel einer möglichen Optimierung auf eine Zwischenreflexion innerhalb der Klasse. Diese wurde dann zu einem ersten ganz beson-deren Tag der letzten Wochen. Auf einem „Markt der Möglichkeiten“ wurden die bisher erarbeiteten Ergebnisse den anderen Mitstudierenden präsentiert. Im Mittelpunkt standen hier die zahlreich entwickelten konkreten Handlungsmöglichkeiten. Mit deren Hilfe haben die Mitarbeiter des St. Johannes-Stifts künftig die Möglichkeit, zum Beispiel auf konkrete Ablaufpläne, Lieder, Gebete, Ideen für die Raumgestaltung und den Trauerkoffer zurückzugreifen, der zum Beispiel an den Bedürfnissen trauernder Menschen mit Behinderung orientierte Materialien für die Gestaltung eines Kondolenztisches enthält. Mithilfe eines eigens erstellten Kriterienkataloges überprüften die Studierenden die Ergebnisse kritisch und planten vor dem Hintergrund dieses Resultates ihre weitere Vorgehensweise. Die Kriterien, die dabei berücksichtigt wurden, waren zum Beispiel, ob das christliche Leitbild sich in den Erarbeitungen widerspiegelt oder die besonderen Bedürfnisse der Menschen mit Behinderung berücksichtigt wurden.

Nach der mittlerweile erfolgten Einarbeitung der Verbesserungsvorschläge fiebern wir alle – die beteiligten Studierenden und Lehrenden – nun dem „Highlight“, sprich der offiziellen Übergabe der Arbeitsergebnisse an das St. Johannes-Stift, entgegen.

Ein besonderes Kennzeichen der letzten Wochen war die Vertrautheit und hohe Motivation der Studierenden. Anfängliche Ängste hinsichtlich der Thematik wurden offen thematisiert und in Form einer Impulsrunde tauschten wir uns über unsere eigenen Erfahrungen, über unseren Umgang mit Tod und Trauer aus. Durch diese berührende Offenheit der Studierenden wurde direkt zu Beginn des Projektes eine ganz besondere Arbeitsbasis geschaffen, die sich im Zusammenhalt der Klasse, in der Motivation, der enormen Eigenverantwortung der Studierenden und in der von den Studierenden angestrebten Zusammenarbeit mit Frau Kalscheur (über das Projekt hinaus) widerspiegelt.

Text: Franziska Kirchhoff
Fotos: Andreas Mäteling


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