Hospizarbeit ist individuell und fantasievoll

„Hospizarbeit ist eben individuell und fantasievoll.“ Oder: Von Eheschließungen, Großfamilien und Papageien im Hospiz Kevelaer-Wetten

Wir, die HEP/O, besuchten am 03. März im Rahmen unserer fächerübergreifenden Lernsituation, die die Entwicklung eines Konzeptes zur Sterbebegleitung/Trauerarbeit im St. Johannes-Stift Kranenburg beinhaltet, gemeinsam mit Herrn Löffler das Hospiz in Kevelaer-Wetten.

Birgitt Brünken, seit 18 Jahren Leiterin des Hospizes und 1. Vorsitzende des Hospiz Verein Kevelaer e.V., begrüßte uns herzlich und stellte uns ihre Arbeit im Hospiz vor. Sie klärte auf, dass Hospiz ursprünglich gar nichts mit der Begleitung sterbender Menschen zu tun hatte, sondern, wie die Bedeutung „Herberge“ schon erahnen lässt, ein Ort war, an dem Menschen zusammen kamen. Nach weiteren Ausführungen zur Geschichte der Hospize weltweit und insbesondere in Deutschland, berichtete sie uns, dass es im Hospiz in Wetten zehn Betten gibt, in denen nicht etwa Patienten liegen, wie man es aus der Krankenhaussprache kennt, sondern – unter Berücksichtigung der Geschichte von Hospizen – Gäste. Betreut werden diese Gäste von 16 hauptamtlichen und 28 ehrenamtlichen Mitarbeitern, die, wie Frau Brünken uns später erzählte, einiges möglich machen können.

Sie nannte uns einige Fakten aus dem vergangenen Jahr 2014 und berichtete, dass 121 Gäste im Hospiz lebten, von denen 111 dort verstorben sind. Acht Gäste begleiteten die Mitarbeiter mit ins Jahr 2015. Sie erklärte, dass das Durchschnittsalter der Gäste, die alle so genannte lebensverkürzende Erkrankungen haben, bei 64 Jahren liegt und die Durchschnittsdauer eines Aufenthaltes bei 23 Tagen. Sie sagte, dass vor dem Tod noch einiges geklärt werden muss, z.B. welche Vorlieben und Abneigungen ein Gast hat, was er gerne anziehen möchte, nachdem er verstorben ist, welche Wünsche er noch hat und natürlich, wer ihn bei seinen letzten Momenten begleiten darf.

Danach durften wir an ihren Erfahrungen teilhaben. Etwas mulmig war mir – aber sicher nicht nur mir – dabei zuerst schon zumute, doch die befürchtete, bedrückende Atmosphäre blieb aus. Vielmehr brachte Frau Brünken uns zum Schmunzeln und sogar zum Lachen. Sie erzählte von den Haustieren, die Gäste mitgebracht hatten und dass sie besonders den Papageien, der Türen öffnen konnte und Katheterbeutel aufpickte, in Erinnerung hat. Sie erzählte von den Angehörigen, die manche Gäste mit ins Hospiz brachten und von einem Gast, der gleich seine 20-köpfige Familie dabei hatte. Sie berichtete, dass jeder Gast seine eigenen Möbel mitbringen kann und von dem Versuch, einen lieb gewonnenen Küchenschrank während eines Aufenthaltes blau zu streichen.

Dann erzählte sie, dass sie besonderen Wert darauf legt, dass alle Gäste zum Ende ihres Lebens hin noch einmal das machen dürfen, wonach ihnen ist und dass so ziemlich alles möglich gemacht wird. So gab es im Hospiz schon Erstkommunionfeiern, Eheschließungen, Pferde auf der Terrasse, Einkaufstouren durch den Ort im Pflegebett, Reisen zur Nordsee mit einem zum Liegewagen umfunktionierten Bulli und sogar einen Flug zur weit entfernten Verwandtschaft, um die letzten Tage der Schwangerschaft der Tochter mitzuerleben. „Hospizarbeit ist eben individuell und fantasievoll“, meinte Frau Brünken lachend.

Beim anschließenden Rundgang durch das Haus entdeckten wir an jeder Wand Fotocollagen aus dem Hospizalltag. Auch längst verstorbene Gäste haben hier noch immer ihren Platz. Im Eingangsbereich steht eine Kerze, die angezündet wird, wenn ein Gast verstorben ist. Daneben steht ein großes Glas, das mit Blütenblättern gefüllt ist. Diese Blütenblätter, so erklärte Frau Brünken, legen sie und die Mitarbeiter auf das Bett des gerade Verstorbenen und sammeln sie wieder ein, nachdem dieser das Hospiz verlassen hat. Die Blütenblätter werden in diesem Glas aufgehoben, um sie, wenn das Glas gefüllt ist, in einem kleinen Abschiedsritual gemeinsam im Garten zu verstreuen. Dies war nur eines der Rituale, von dem sie uns erzählte und das untermalte, dass man auch nach 18 Jahren in der Hospizarbeit nicht abstumpft und noch immer um Gäste trauert. Dieses und weitere Rituale, von denen wir erfuhren, notierten wir eifrig, um darüber in unseren Gruppen zu beraten und sie in das zu formulierende Konzept einfließen lassen zu können.

Der Besuch des Hospizes wurde besonders durch die Erzählungen von Frau Brünken zu einem berührenden Erlebnis, obwohl man immer im Hinterkopf hatte, dass die Menschen, von denen sie erzählte, sterben oder bereits gestorben sind. Denn sie hatten bestimmt noch einige schöne Tage im farbenfroh gestalteten Hospiz, in dem rein gar nichts an ein steriles Krankenhaus erinnert, und haben Wünsche erfüllt bekommen, von denen sie sicherlich nicht mehr gedacht haben, dass sie noch wahr werden würden.

Text: Miriam Hendricks (HEP/O)
Fotos: Gerhard Löffler


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